Fast schon eine Art lästige Pflichtlektüre ist das jährliche Nostradamus-Taschenbüchlein von Manfred Dimde, das auf dem Umschlag für 2009 – wie in den Vorjahren auch – „Die aktuellen Prophezeiungen“ sowie einen „Schlüssel zur Zukunft“ verspricht. Zur Abwechslung war auf dem Cover noch „Beginn der Weltschicksalsjahre“ zu lesen – in den Vorjahren wollte an gleicher Stelle noch der Satz „Neues von Nostradamus“ sugerrieren, Herr Dimde hätte Neuigkeiten zu berichten.
Aber der Reihe nach. Zu Beginn betreibt Dimde, etwas Selbstbeweihräucherung und schreibt dass er bereits 1982 besonders dramatische Zeiten für die Jahre 2011 bis 2014 dräuen sah – und verschweigt diskret all seine Nonsensprognosen aus früheren Büchern. Sollte nicht schon 2002 Stuttgart im atomaren Feuer verglüht sein?
Danach (Seite 11) phantasiert Dimde unter der Überschrift „Seherinstumente“ über Kristallkugeln und den Gral bevor er ab Seite 17 versucht die Astrologie „einmal anders“ zu erklären. Wie letzterer Artikel den Dreh von Barcodes zur Astrologie mittel des Bildes eines Zebras findet ist schon bemerkenswert lächerlich: Er blendet das schwarz-weiß gestreifte Zebra vor den schwarz-weiß gestreiften Barcode und „erklärt“, dass „immer wenn im Vergleich zwischen Barcode und Zebra eine Übereinstimmung hinsichtlich eines Balkens besteht, wird beim Träger des Musters, wie man so schön sagt, etwas ausgelöst„. Zur Verfeinerung fügt Dimde noch hinzu, dass der Barcode in Bewegung ist und merkt an, dass „sowohl schwarze als auch weiße Balken Einfluß auf das Zebra haben„. Bin mal gespant, ob diese Barcodeanalogie in der Zukunft auch mal von echten Astrologen verwendet wird …
Es folgen 50 Seiten, auf denen Dimde Fundsachen aus dem Internet und diversen Nachrichtenmagazinen mit kleinen Kommentierungen präsentiert. Warum er dies tut bleibt unklar, denn eine Beziehung zu seinen „Deutungen“ der Vorjahre fehlt völlig. Den Leser fordert er auf, die Nachrichten selbst in die alten Jahrbücher von 2006 und 2007 einzutragen – eine ziemlich blöde Aufforderung, da die Texte vom 12. April 2007 bis zum 22. April 2008 datiert sind. Ich vermute, dass hier schlicht und einfach ein Kopierfehler vorlag, denn die Seiten 21 und 22 von Nostradamus 2009 sind mit den Seiten 13 und 14 von Nostradamus 2008 absolut identisch. Inhaltlich ist vielleicht der Kommentar auf Seite 59 zum 27.12.2007 interessant: Da er schon im Buch Nostradmus 2004 von einer Frau als „Drahtzieherin“ künftigen Unheils schwadronierte konnte er zu diesem Datum mit einem fett gedruckten „Sie war es nicht!“ die ermorderte ehemalige pakistanische Premierministerin Benazir Bhutto ausschliessen. Ich hatte ja schon vor Jahren eher eine Angela oder eine Hillary vermutet …
Ab Seite 73 kommt dann endlich die Nostradamus-Prophezeiung für 2009 – bzw. das übliche Geraune, aus dem sich beim besten Willen kein Sinn erschliessen lässt. Es beginnt schon damit, dass er die Standardübersetzung schlicht ignoriert und schon bei seiner eigenen Übersetzung alles Mögliche hineinfantasiert. Danach kommt sein eigenes „Inflationsverfahren“, denn jede hingeraunte Nostradamuszeile bläst er zu einem neuen, noch unverständlicheren Vierzeiler auf, in den er dann – wie üblich – allerlei Katastrophen hineinphantasieren kann. Es geht – GÄÄÄÄHN – mal wieder um den dritten Weltkrieg (von dem 1oo Staaten betroffen sein werden), um irgendjemanden der aus Kastillien stammt, um eine Art Giftattacke, die den Boden 14 Jahre lang vergiftet und um den 8. Dezember 2009, an dem irgendetwas passieren oder vorbereitet werden soll.
Schwupps ist Seite 109 erreicht und schon geht’s ins Kalendarium. Pro Woche gibt es eine Doppelseite wobei rechts nur ein Horoskopbild und leere Zeilen zum Selbereintragen von Ereignissen zu finden sind. Links gibt es für jeden Tag ein „Astrothema“ und „Besonderheiten und allgemeine Tendenzen in dieser Woche“ (gegliedert nach Welt, Deutschland und Privat). Das Astrothema ist ein belangloser Nonsenssatz (heute z.B. „Auf einem Fischmarkt wird ein Wal versteigert„, morgen: „Freunde, die schunkeln„, gestern „Der linke Arm tut weh“) und man soll aus diesem Quatsch seine eigenen Prognosen herauslesen. Unter Besonderheiten wird nebulös und sinnfrei geschwurbelt – für diese Woche im Angebot:
Unerfahrene und einfältige, aber dafür umso selbstbewusstere Politiker beginnen der Welt ihren Willen aufzuzwingen. (Welt)
Erfolge in der Forschung werden von Politikern übersehen. Dadurch kann das Fundament für die Lösung eines Problems der Zeit noch nicht gelegt werden. (Deutschland)
Diese Woche (12.-18.3.) bietet übrigens sogar eine der ganz wenigen, fast schon genial exakten Prognosen:
In der Landwirtschaft wird im Zusammenhang mit Futtermitteln ein ungewöhnlicher Skandal enthüllt. (Deutschland)
Über den Rest kann man eigentlich nur schweigen- wäre da nicht ganz am Ende des Buches (Seite 245) ein absolutes Highlight zu finden: Nach mehreren Seiten „Nostradamus und unsere Zukunft im WELTRAUM“ erklärt Dimde, mit welchen Begriffen Nostradamus moderne Technik beschrieben hat:
- Die Lichter Künstliche Sonnen im Erdorbit
- Der Kopf Im Weltraum kreisende Computeranlagen
- Der Spieß Ein besonderer Typ Raumschiff
- Neue Himmel Veränderte Planetenbahnen unseres Systems
- Der Stein Gerät mit einer bestimmten Funktion
Da fehlt nur noch eine kurze Definition:
- Der Papiermüll Buch des Nostradamusdeuters Dimde
Gefällt mir:
Like Wird geladen …
Letzte Kommentare