FAZ und Briefzustellung: Unfaire Statistik!

30 08 2009

Als vor 2 Wochen die deutsche Bundespost zugeben musste, dass sie in den Sommermonaten an Sonntagen ihre Dienstleistung einschränkte (und so viele am Samstag eingeworfene Briefe eben erst am Montag weiter befürdert wurden) war die Aufregung groß. Die Sonntags-FAZ hat dies zum Anlass genommen, die Post mal ein wenig auf die Probe zu stellen und hat einen Test durchgeführt um zu ermitteln wie lange Briefe denn brauchen, bis sie beim Kunden ankommen.  Dafür hat man 22.8. (Samstag), 24.8. (Montag) und 25.8. (Dienstag) jeweils 33 Briefe abgeschickt und ausgewertet, wann diese denn beim Kunden angekommen sind. Als Ergebnis schreibt die FAZ: „Nur 61 Prozent der Briefe kommen am nächsten Werktag beim Empfänger an.“ – ein wirklich miserabler Wert, wenn man berücksichtigt, dass die Post selbst dies bei mindestens 95% der Sendungen verspricht und die Bundesregierung die Zustellung am Folgetag bei mindestens 80% der Sendungen verlangt..

Aber der Test der FAZ ist ziemlich unfair! Von den montags und dienstags abgeschickten Briefen kamen 57 von 66 (also 86%) am nächsten Tag beim Empfänger an, bei den samstags eingeworfenen allerdings nur ganze 3 von 33 (also 9%).  Aussagekräftig wäre das Gesamtergebnis (die 61%) eines solchen Tests nur dann, wenn die FAZ auch mittwochs, donnerstags und freitags jeweils 33 Briefe verschickt hätte, denn dann wäre das Verhältnis der „normalen“ Werktage zum – wegen der bereits bekannten Einschränkungen der Post an Sonntagen – etwas anders zu beurteilenden Samstag realistisch gewesen. Geht man davon aus, dass die Dauer der Briefzustellung bei Einwurf der Sendung an den anderen Werktagen ebenso „gut“ ist wie beim Einwurf montags und dienstags, dann käme man auf eine Gesamtquote von über 73% – immer noch deutlich unter den von der Post angepeilten 95%, aber doch weit unspektakulärer als es die Darstellung der FAZ suggeriert.

Natürlich ist es ärgerlich, wenn Briefe zu lange unterwegs sind, und natürlich ist es legitim sich darüber zu beschweren. Aber wenn man schon die Post testet (… und die Idee selbst finde ich ja gut),  dann sollte dies auf faire Weise geschehen. Ob das in dieser Form nicht aussagekräftige Ergebnis dem fehlenden Wissen in statistischer Methodik der Autoren geschuldet ist kann ich natürlich nicht beurteilen. So richtig ärgerlich war jedoch die kurze Nachricht in der Tagesschau am Sonntag Mittag, die sich auf den FAZ-Artikel berief. Dort wurde berichtet, dass „an Werktagen von 99 Sendungen nur 61% am kommenden Tag“ angekommen seien und dass es „am Samstag sogar noch schlechter aussah“. Da bereits die 61% schon den Samstagswert beinhalteten war diese Unterscheidung schlicht unsinnig, richtig wäre gewesen, dass nach dem Test der Sonntags-FAZ „Werktagsbriefe“ zu 86% am kommenden Tag ankommen. Aber auch bei der Tagesschau scheint sich niemand die Mühe gemacht zu haben, die offen vorliegenden Zahlen kritisch zu bewerten.

Mich würde ja viel mehr interessieren, was mit dem einen Brief geschehen ist, der am 24.8. verschickt wurde und bisher nicht angekommen zu sein scheint.

Nachtrag (31.8.): Wie ein Kommentator bei der FAZ richtigerweise anmerkt hätte man für einen wirklich aussagefähigen Test auch noch berücksichtigen müssen, dass die Anzahl der an den jeweiligen Tagen versandten Briefe in der Realität höchst unterschiedlich ist. Wenn beispielsweise samstags das Briefaufkommen generell sehr gering ist, dann zieht die miserable Samstagsquote in einer „vernünftigen“ Auswertung das Gesamtergebnis auch nicht so weit nach unten …





… und noch eine betrügerische Wahrsagerin verurteilt

29 08 2009

Bonn scheint eine Hochburg für die Verurteilung von Wahrsagerinnen zu sein. Nachdem bereits vor 5 Wochen eine Wahrsagerin wegen Betrugs verurteilt wurde gab es diese Woche einen fast gleichen Fall zu verhandeln. Wie damals endete das Ganze mit einer Bewährungsstrafe – dieses Mal waren es ein Jahr und 10 Monate für die auch in diesem Fall wieder einschlägig vorbestrafte Täterin, also mehr als 3 Mal so viel wie im Fall aus dem Monat Juli. OK, der bei den Opfern angerichtete Schaden war auch beträchtlich höher. Um sage und schreibe fast 170.000 Euro hatte die Täterin ihre zwei Opfer betrogen … … und auch dieses Mal scheint es sich um ein „gutes Geschäft“ gehandelt zu haben. Die Täterin ist zwar jetzt vorbestraft, aber neben der Bewährungsstrafe und 15o Stunden Sozialarbeit musse sie laut Urteil lediglich 20.000 Euro an die Opfer zurückzahlen.  Ob die Summe an beide zusammen oder jedes Opfer einzeln zu zahlen ist, darüber gibt der Artikel leider keine Auskunft (Lilith meint 10.000 € pro Opfer). Es bleiben also in jedem Fall fast 130.000 Euro übrig – dafür, dass die Frau nun 4 Jahre nicht strafällig werden darf hat sie also vorgesorgt: Mindestens 2.500 Euro steuerfrei pro Monat, da müssen andere Leute schon ordentlich für schuften.

Den traurigen Artikel aus der Kölnischen Rundschau über zwei kranke Frauen, Den Rest des Beitrags lesen »





Der Paungger-Poppe-Zahlenwahn: Primitivnumerologie

14 08 2009

16 Jahre nach dem Mondschwurbel-Megaseller „Vom richtigen Zeitpunkt“ (… und vieler folgender „Mondwerke“ voller unsinniger,  unbelegter und teilweise gefährlicher Behauptungen – mondgläubige Menschen aus meinem Umfeld wollten z.B. wichtige Operationen verschieben weil der Mondkalender irgendwelche Gefahren herbeifantasiert hatte) wagt sich das Bestsellerautorenpaar Johanna Paungger-Poppe und Thomas Poppe an ein neues Thema: In ihrem neuesten Machwerk behauptet Frau Paungger-Poppe sich an weiteres Geheimwissen von Tiroler Bergbauern erinnern zu können. Spielte das Mondgefasel der Autoren immerhin noch zumindest teilweise mit den bekannten (falschen!) Mondmythen, so behauptet sie jetzt sich an etwas ganz anderes erinnern zu können:

Mit diesem Buch möchte ich Sie mit einem ganz besonderen Kapitel des Lebens auf unserem Tiroler Bergbauernhof bekannt machen: mit dem alten Wissen, welch weit reichenden und einschneidenden Einfluss die Zahlen des Geburtsdatums haben.

Ob sie diesen Satz tatsächlich glaubt weiß ich nicht – in jedem Fall verkauft sich vermeintlich altes Wissen unter Esoterikern immer gut – man muss sich nur auf irgend eine Gruppe von Leuten berufen denen man entweder selten im Großstadtalltag begegnet oder die ganz weit weg wohnen. Frau Paungger-Poppe hat sich für ersteren Weg entschieden und da hilft es natürlich, dass sie tatsächlich aus Tirol stammt. Über ihre abstruse Numerologievariante namens „Tiroler Zahlenrad“ schreibt sie:

Für das Leben mit dem Zahlenrad gab es bei uns keine Lehrbücher, es gab keine „einführenden Gespräche“ in der Familie. Wir wussten, wie sicher seine Anwendung funktioniert, wir wussten aber nicht, warum sie funktioniert. Wir lebten damit, erfuhren fast täglich seinen Sinn und Wert, und damit ließen wir es bewenden. Wir nahmen es so selbstverständlich hin wie den Lauf der Jahreszeiten, wie den Donner nach einem Blitz. Das Zahlenrad war uns in Fleisch und Blut übergegangen, es nicht anzuwenden wäre uns verrückt, seltsam, unsinnig vorgekommen. Den Rest des Beitrags lesen »





Joghurtstudien

10 08 2009

Im März hatte die Verbraucherorganisation foodwatch den Goldenen Windbeutel für die dreisteste Werbelüge an den Marktführer im Geschäft mit probiotischen Joghurts verliehen. Dass da intensiv mit wissenschaftlichen Studien geworben wird ist nichts Neues, seit einiger Zeit darf sich in einem Werbespot sogar ein junger Mensch als Teilnehmer einer Studie outen und strahlend verkünden, dass er die Joghurtplörre (sorry, das Zeugs schmeckt mir einfach nicht!) inzwischen freiwillig jeden Tag aus den kleinen Fläschlein nuckelt. Aber warum blenden die bloß immer zusätzlich noch etwas klein Gedrucktes ein? Dort liest man dann irgendetwas von „im Rahmen einer gesunden Lebensführung“ und ich frage mich dann immer, warum ein Mensch mit einer gesunden Lebensführung überhaupt noch irgendwelche zusätzlichen „Hilfsmittel“ brauchen soll …

Inzwischen ist in „Service Gesundheit“ auf wdr5 ein kurzer Bericht zum Thema Studien zu probiotischen Joghurts (zum Nachhören hier) erschienen, und die wissenschaftlichen Ergebnisse scheinen – im Sinne der probiotischen Joghurts wohlwollend ausgedrückt – zumindest zweifelhaft.

Ob die Qualität der Studien, auf die sich der Hersteller beruft, wirklich so schlecht ist, wie das der Wissenschaftler im Bericht erwähnt lässt sich übrigens für einen Laien wie mich nicht direkt nachprüfen: Actimel hat lediglich die Abstracts verschiedener Studien verlinkt,  und dort kann man – wennn man sich von unten nach oben hangelt – zunächst mal lesen, dass bei Ratten, Ratten und Mäusen irgendwelche Effekte zu beobachten sein sollen. Schaut man in die Abstracts der  als „Beweis“ angegebenen klinischen Studien, so werden die Fragezeichen nicht kleiner. In einer doppelblinden und placebo-kontrollierten Studie wurden 135 Senioren (Durchschnittsalter 74) untersucht, die mit Antibiotika behandelt wurden. Dass in der Probiotikgruppe nur 7 von 57, in der Placebo-Gruppe jedoch 19 von 56 Testteilnehmern an Durchfall erkrankten (und damit ein signifikantes Ergebnis erzeugten) ist durchaus interesant, aber mich würde auch interessieren, was mit den restlichen 22 Personen aus dem Test passierte und ob bzw. warum diese Studie die Werbeaussagen rechtfertigen kann wenn ich keine Antibiotika nehme. In einer anderen Studie, in der es ebenfalls um Durchfall ging, steht sogar im Abstract, dass sich ein Unterschied lediglich bei der „stool consistency“ ergab – was diese „Ausscheidungskonsistenz“ mit den Werbeaussagen (gestärkte Abwehrkräfte!) zu tun haben soll erschließt sich mir nicht. Nach einer weiteren Studie kommen etwa die Hälfte der mit dem Joghurt eingenommen Lactobacillus casei DN-114 001 im Darm an, mehr als ein Viertel verlässt diesen jedoch auch wieder. Bei 2 anderern Studien war die Anzahl der Probanden recht gering (12 gesunde Personen bzw. sieben Freiwillige), so dass man die vollmundigen Versprechungen wohl kaum damit begründen kann. Zumindest kann ich mir das nicht vorstellen, aber vielleicht kann das jemand vom Fach erklären, der nicht unbedingt auf der Lohnliste der Joghurtproduzenten steht.

Aber was soll’s, das Ganze ist Werbung! Und wer diesen Aussagen blind vertraut, der hat eh nix kapiert. Gleich zu Beginn des wdr5-Beitrags weisen die Autoren übrigens darauf hin, dass schon vor hundert Jahren Joghurt mit Bildern von „steinalten bulgarische Bauern“ beworben wurde – heute muss eben die Wissenschaft herhalten und man nutzt – durchaus geschickt – aus, dass die meisten Konsumenten über Wissenschaft ebenso viel wissen wie damals über bulgarische Landwirte.





Sommerlöcher

5 08 2009

Gestern Abend gab es auf wdr5 einen wunderschönen Rückblick auf die schönsten Sommerlöcher (… kann man dort auch anhören …) der letzten Jahre. Gleich zu Beginn tauchte der Chopper auf – jener „Geist“ aus einer Nautraublinger Zahnarztpraxis, der Deutschlands damals berühmtesten Parapsychologen narrte und sich als Koproduktion der 17-jährige Zahnarzthelferin mit dem Zahnarztehepaar entpuppte (siehe diesen Bericht der Stuttgarter Zeitung). Ansonsten reichte das Panoptikum der Sommerlöcher vom Bär Bruno über Raab’s Maschendrahtzaun, Badesee-und Rheinkrokodile bis zu längst vergessenen politischen Vorschlägen aus Absurdistan. Da gab es doch tatsächlich die Forderung eines CSU-Abgeordneten, Deutschland soll Mallorca als neues Bundesland zu annektieren.

Ein richtiges Sommerlochthema 2009 ist mir hierzulande noch nicht aufgefallen, aber in den USA gibt es offensichtlich eins: Ultra-rechte Verschwörungstheoretiker behaupten, dass Präsident Obama in Kenia geboren sei und deshalb als Präsident illegal ist. Ebenfalls auf wdr5 nahm sich Horst Kläuser diesem Thema in einem kurzen Kommentar an und wundert sich, dass sich seriöse Medien in den Staaten überhaupt mit solch einem Nonsens beschäftigen. Noch ist der Sommer ja nicht vorbei und falls wirklich nichts passiert kann ja mal wieder das Monster von Loch Ness als Füllmaterial für das Sommerloch herhalten: Immerhin hatte Nikki Pezaro ja vorausgesagt, dass das Vieh in diesem Jahr – endlich – gefangen werden wird (Nr. 13 ihrer vielen Prognosen).








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