Schaut man sich in Wikipedia Bilder aus Köthen an, dann wirkt das kleine Städtchen in Sachsen-Anhalt durchaus nett und sympathisch. Blöd ist nur, dass sich die Stadt als „Homöopathiestadt“ versteht, weil der Erfinder des ultimativen Verdünnungswahnsinns dort ein paar Jahre lang gewirkt hat. Wissen die Stadtoberen eigentlich was das bedeutet? Teilweise ja, denn es „soll untersucht werden, ob die Therapieansätze der homöopathischen Medizin auch auf die Gesundung unseres Stadtkörpers angewendet werden können.“ heißt es in der Beschreibung des Stadtentwicklungsprojekts, das unter dem Motto „Homöopathie als Entwicklungskraft“ steht. Noch ist dieser Therapieansatz über den Versuch einer Anamnese (so nennen die Homöopathen eine einfache Befragung!) nicht hinausgekommen (und die fand ja nur in einer Straße statt, der Rest der Stadt müsste auch noch befragt anamnesiert werden), denn was ein Sonnenblumenfeld oder die Gestaltung eines Platzes mit homöopathischer „Methodik“ zu tun hat, das erschließt sich Kennern dieser Materie eher nicht.
Spannend wird es allerdings erst dann, wenn die Stadt irgendwann wirklich Ernst mit der homöopathischen Behandlung macht. Streng nach Hahnemann könnte das folgendermaßen aussehen: Nehmen wir mal an wir haben eine häßliche Baulücke in irgend einer Innenstadtstraße. Da sich die Homöopathie lediglich um das Symptom („sieht häßlich aus“) kümmert und dann ein „Mittel“ auswählt, dass ein gleiches Symptom erzeugt (Simileprinzip), kann die Baulücke zum Beispiel mit einem – häßlichen – Hundehaufen kuriert werden. OK, der muss natürlich (Potenzierung!) stark verdünnt und verschüttelt werden – aber nicht in der Art des entsprechenden homöopathischen Präparats, hier würde es ja einzig und allein auf das Auge ankommen! Die Lösung ist einfach: Gaaaaaanz kleine Hundehaufen – z.B. in „Nanogröße“, je kleiner desto besser wegen der Potenzierung – werden regelmäßig von den Verantwortlichen vor der häßlichen Baulücke appliziert … … die sieht man zwar nicht, aber genau so „funktionieren“ ja auch die Globuli! Wenn schon Hahnemann, dann konsequent!
Deshalb möchte ich die Initiative KKK – Köthen konsequent kuriert gründen! Ziel dieser Initiative ist es, in der Homöopathiestadt Köthen die „Gesundung des Stadtkörpers“ konsequent nacht homöopathischer Lehre und gemäß obigem Beispiel voranzutreiben.
Problematisch sind nur all die Dinge, die laut Hahnemann möglichst vermieden oder entfernt werden [müssen], wenn die Heilung nicht gehindert oder gar unmöglich gemacht werden soll, denn diese werden gravierende Auswirkungen auf das Stadtleben haben:
Kaffee (Tchibofilialen und Cafes werden geschlossen …) , feiner chinesischer und anderer Kräuterthee (… auch Tee darf nicht mehr verkauft oder gebrüht werden …); Biere mit arzneilichen, für den Zustand des Kranken unangemessenen Gewächssubstanzen angemacht (… Bier ist offensichtlich auch verboten, denn Hopfen dürfte unangemessen sein – Kneipen werden also geschlossen, Getränkemärkte müssen Bier aus dem Angebot nehmen …), sogenannte feine, mit arzneilichen Gewürzen bereitete Liqueure (… kein Eierlikör mehr, meine Damen!), alle Arten Punsch, gewürzte Schokolade, Riechwasser und Parfümerieen (… hat Douglas eine Filiale in Köthen? Falls ja: Schliessen und leer räumen!) mancher Art, stark duftende Blumen im Zimmer (das muss natürlich überprüft werden …), aus Arzneien zusammengesetzte Zahnpulver und Zahnspiritus (weg mit allen homöopathieinkompatiblen Zahncremes – da bleiben allerdings nicht viele übrig). Riechkißchen, hochgewürzte Speisen und Saucen (… das Aus für alle griechischen, türkischen und asiatischen Restaurants …), gewürztes Backwerk und Gefrornes mit arzneilichen Stoffen, z. B. Kaffee, Vanille u.s.w. bereitet (… damit müssen auch Eisdielen und Konditoreien dicht machen …), rohe, arzneiliche Kräuter auf Suppen, Gemüße von Kräutern, Wurzeln und Keim-Stengeln (wie Spargel mit langen, grünen Spitzen), Hopfenkeime und alle Vegetabilien, welche Arzneikraft besitzen, Selerie, Petersilie, Sauerampfer, Dragun, alle Zwiebel-Arten , u.s.w.; alter Käse und Thierspeisen, welche faulicht sind, (Fleisch und Fett von Schweinen, Enten und Gänsen, oder allzu junges Kalbfleisch und saure Speisen; Salate aller Art), welche arzneiliche Nebenwirkungen haben, sind eben so sehr von Kranken dieser Art zu entfernen (hmm – was darf denn dann in Köthen überhaupt noch verzehrt werden? Wasser und Brot sind immerhin nicht ausgeschlossen, und sogar ein Gläschen Wein ist erlaubt!) als jedes Uebermaß, selbst das des Zuckers und Kochsalzes, so wie geistige, nicht mit viel Wasser verdünnte Getränke (OK, Köthener dürfen noch Schnaps mit viel Wasser trinken – aber keine Kräuterschnäpse, könnte ja eine Heilpflanze drin verarbeitet sein …); Stubenhitze (Heizung aus! Das spart auch Geld und schont die Umwelt!) , schafwollene Haut-Bekleidung (Baumwollfeinripp scheint ja erlaubt zu sein), sitzende Lebensart in eingesperrter Stuben-Luft (Bürotätigkeiten in Köthen werden verboten), oder öftere, bloß negative Bewegung (durch Reiten, Fahren, Schaukeln) (wegen der Schaukeln werden Kinderspielplätze geschlossen, außerdem wird die Stadt autofrei), übermäßiges Kind-Säugen, langer Mittagsschlaf im Liegen (in Betten) (wird verhindert durch lautes gemeinsames Singen zwischen 11 und 15 Uhr), Lesen in wagerechter Lage (… wird nicht vergessen! s.u.), Nachtleben (Kneipen sind ja eh schon dicht, da ist diese Forderung leicht zu erfüllen), Unreinlichkeit (jeden Morgen ist Waschappell im Rathaus), unnatürliche Wohllust, Entnervung durch Lesen schlüpfriger Schriften (entsprechende Bücher und Zeitungen werden aus der Stadt verbannt) , Onanism (das möchte ich jetzt nicht kommentieren) oder, sei es aus Aberglauben, sei es um Kinder-Erzeugung in der Ehe zu verhüten, unvollkommner, oder ganz unterdrückter Beischlaf (immerhin: Sex ist also erlaubt, aber nur die katholische Variante zur Kinderzeugung); Gegenstände des Zornes, des Grames, des Aergernisses (das zu verhindern wird ganz schwierig!), leidenschaftliches Spiel (Spielsalons werden also auch geschlossen), übertriebene Anstrengung des Geistes (z.B. Denken!) und Körpers (Jogger und Walker müssen zu Hause bleiben, Bälle sollten vorsorglich konfisziert werden), vorzüglich gleich nach der Mahlzeit; sumpfige Wohngegend und dumpfige Zimmer; karges Darben~ (erst wird alles „Unkarge“ verboten und dann das karge Darben … als Hahnemannstadtbewohner hat man es aber auch schwer …) u.s.w. Alle diese Dinge müssen möglichst vermieden oder entfernt werden, wenn die Heilung nicht gehindert oder gar unmöglich gemacht werden soll. Einige meiner Nachahmer scheinen durch Verbieten noch weit mehrer, ziemlich gleichgültiger Dinge die Diät des Kranken unnöthig zu erschweren, was nicht zu billigen ist. (zitiert aus dem §260, Organon der Heilkunst; außer den Kommentaren natürlich)
Tja, das wird heftig für die Köthener Bürger! Die beste Lösung wäre es natürlich, wenn man für die Zeit der homöopathischen Behandlung die Menschen einfach aus Köthen entfernt und die Stadt bis zur Genesung zu einer Art Sperrgebiet erklärt. Wer will denn diese ganze Litanei an Verboten kontrollieren? Und wer will die Verantwortung dafür übernehmen, dass nicht vielleicht ein paar böse, homöopathiefeindliche Skeptiker die Heilung durch einen Besuch in Köthen und den dortigen Verzehr mitgebrachter, „verbotener“ Speisen (scharfer Döner, Chinesisches aus der Szechuan-Küche oder gar ein leckeres indisches Vindaloo …) und Getränke (Kaffee, Tee, Bier und den ein oder anderen unverdünnten Kräuterschnaps) oder irgendwelchen ungebührlichen Handlungen (z.B. auf einer Bank liegend „Spektrum der Wissenschaft“ lesen) die Heilung der Stadt Köthen gefährden? Lediglich ordentlich ausgebildeten Homöopathen sollte in der Heilungsphase noch Zutritt zur Stadt gewährt werden – irgend jemand muss ja die Nanohäufchen und ggf. andere Mittelchen applizieren und selbstverständlich dürfen diese Menschen dann auch in der Europäischen Homöopathiebibliothek schmökern (aber nicht im Liegen – s.o.). Dadurch ist die Heilung der Stadt übrigens auch garantiert: da so gut wie niemand mehr die oben erwähnte häßliche Baulücke sehen kann, ist ja auch das Symptom („Wie häßlich sieht das denn aus!“) sofort verschwunden.
Aber wohin mit den Einwohnern von Köthen? Da habe ich eine Idee:
Die Initiative KKK – Köthen konsequent kuriert ruft alle Homöopathen dieser Welt zur Mithilfe auf! Um die homöopathische Heilung der Stadt Köthen voranzutreiben braucht die Initiative KKK ihre Spende! Mit dieser Spende wird die Initiative KKK die Rahmenbedingungen schaffen, um der Stadt Köthen eine ganzheitliche homöopathische Heilung zu ermöglichen!
… in dem sie die Bürger für den Heilungszeitraum auf Kosten der Initiative KKK einfach an einen schönen Ort verbringt. Ob Mallorca, Kanarische Inseln, Österreich – in der Nebensaison (auf Schulferien muss keine Rücksicht genommen werden, der Unterricht an den Schulen wird am Ort der Verbringung fortgesetzt) und bei der Menge der zu verbringenden Personen (Mengenrabatt!) wird das bestimmt gar nicht soooo teuer. Und die Heilung der Stadt wird nicht nur zusätzlich durch zufrieden heimkehrende Bürger unterstützt, wenn sich das rumspricht werden nicht wenige Menschen versuchen ihren Wohnsitz nach Köthen zu verlegen und die Abwanderungstendenz ist gebannt. Deshalb:
Liebe Homöopathen, liebe Hersteller homöopathischer Produkte, bitte unterstützt die Initiative KKK – die Homöopathiestadt Köthen hat es verdient konsequent kuriert zu werden!
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