Der wahrheitsliebende Fake-Guru: Kumare

25 07 2012

Sollte es in den nächsten Tagen langweilig werden, hätte ich einen Tipp: Eine Reise in die Welt der Guru- und Leichtgläubigen, die man nicht einmal mit der Wahrheit abschrecken kann.  Ein indisch stämmiger Filmemacher aus der USA beschließt sich als Guru auszugeben, reist in eine Großstadt in der ihn keiner kennt, kultiviert den indischen Akzent seiner Großmutter, zieht sich eine Guru-Robe an … … und fasziniert seine neuen Fans mit vollkommen – und absichtlich – schwachsinnigen Sprüchen und selbst erfundenen Ritualen.

Der Film ist einfach gut gemacht, wird zwischendurch extrem lustig (weil sich der Protagonist mit ein paar lokalen Esogrößen trifft und später seine Anhänger wirklich tolle Esoplattitüden von sich geben) und kriegt am Ende eine wunderbare Kurve. Um seine dann 14 Anhänger nicht völlig zu verschrecken zieht er seine Selbstenthüllung ein wenig in die Länge – und schafft es am Ende, dass sich offensichtlich nur vier seiner Adepten von ihm wirklich verarscht fühlen (der Rest scheint seine „Botschaft“ verstanden zu haben).

Ich weiß nicht, wie lange der Film noch zum kostenlosen Anschauen zur Verfügung steht, deswegen empfehle ich möglichst bald hier zu klicken hier zu klicken (wieder zu sehen bis ca. 10.01.2013) –  83 Minuten gute und intelligente Unterhaltung (meine Meinung!) sind garantiert!

(Danke an Sabine V. für den Link via Facebook)





Morgen im Programm: Entrückung in den FKK-Himmel

23 07 2012
Vor gut einem Jahr, kurz vor dem 21. Mai 2012 sorgte ein spinnerter amerikanischer Prediger für einen kleinen Medienhype als er just für diesen Tag die „Entrückung“ ankündigte, der nur ein halbes Jahr später das unwiderrufliche Ende der Welt folgen sollte. Harold Camping heißt der Mann, der – nachdem er Ähnliches schon 1994 falsch prophezeit hatte – inzwischen solchen Voraussagen abgeschworen hat. Für alle, die sich nicht mit „Entrückung“ auskennen: Es bedeutet, dass die braven, Rechtgläubigen schon mal vorab zu ihrem Herrgott in den Himmel auffahren dürfen um es sich dort – in der Nähe ihres Idols – auf immer und ewig gut gehen zu lassen. Wie Camping voriges Jahr ankündigte würden die Auserwählten all ihren irdischen Tand auf unserem Planeten zurücklassen, so dass man sich nicht wundern sollte wenn an diesem Tag irgendwo verlassene Autos, Tiere oder herrenlose Kleidung rumliegen würden. Das wäre eben das sichtbare Zeichen dafür, dass hier ein Mensch entrückt worden wäre.
Olle Kamellen? Nein! Hier und hier kann man lesen, dass am 24. Juli 2012, also morgen, wieder ‚mal kollektives Entrücken angesagt ist. Der Prophet ist übrigens gerade einmal halb so alt wie der über 90 jährige Camping und heißt Mark Alexander (… was born in Kerala, India in the year 1967). Es ist also zu  erwarten ist, dass er in Zukunft noch weitere solcher Unsinnsprognosen hinausposaunen wird. Dass diese Ankündigung keinen ähnlichen Medienhype wie die letztjährige von Camping verursachte, könnte daran liegen, dass der Mann in Australien lebt. Schade eigentlich, denn ich fand viele der damals anläßlich dieses Termins ins Internet gestellten Fotospäße ziemlich lustig. Glücklicherweise ist das Zeugs ja zumindest teilweise noch verfügbar.

Ob sich die doch überwiegend als äußerst prüde geltenden Anhänger solcher Spinnereien den Himmel wirklich wie ein riesiges FKK-Gelände vorstellen?

mit Dank an den Blasphemieblog





Esoterikplauderstündchen bei Maischberger … (mit Update)

21 07 2012

Für kommenden Dienstag hat die ARD ‚mal wieder ein Esoterikplauderstündchen ins Programm genommen. Die Sendung „Menschen bei Maischberger“ steht unter dem Motto „Horoskope, Handlesen, Tarotkarten: Unsinn, der hilft?“ und ich wage vorauszusagen, dass im Verlaufe der Sendung das Astrologie-Bullshit-Bingo mindestens ein Mal erfolgreich gespielt werden kann. Beim Blick auf die Gästeliste überfällt mich schon vorab ein leichtes Gruseln denn wie bei solchen Sendungen üblich sind die Esoteriker klar in der Überzahl. Gespannt bin ich ja, wie sich Frau Maischberger selbst positioniert. Vor ein paar Jahren hatte Sie in einer Sendung mit ähnlicher Thematik Winfried Noê mit einer seiner Fehlprognosen konfrontiert und dessen Versuch sich herauszureden mit einem kurzen „Das stand so auf ihrer Webseite“ beendet.   Aber schauen wir uns einfach mal die Teilnehmer an dieser Talkrunde an.

Als erste Hella von Sinnen. Ob man ihren Humor mag ist natürlich Geschmacksache, aber bei „genial daneben“ finde ich sie wirklich klasse. Warum sie dabei ist? Hier stehts:

Astrologie hat für die Moderatorin jedoch nichts mit Glaube zu tun, „sondern mit Wissen und Erfahrung.“

Ok, also ein Astrologiefan? Schlimmer! Eine Hobby-Astrologin! Und weil wir gerade bei Sternschwurblern sind wurde auch „Deutschlands besten Astrologin“ eingeladen. Der Name dieser Dame – Mauretania Gregor – war mir bis dato völlig unbekannt. Hier übrigens ihr aktuelles Werbevideo für Juli …

… mit dem sie Werbung für das auf ihrer Webseite angebotene, monatliche Liebeshoroskop macht. Das kostet „ab 8,95 Euro“ – und man kann das dann auf ihrer Webseite anschauen. Und das verspricht sie:

Ihr erfahrt die heißesten Dating-Tage, ich sage Euch wann Ihr welchem Typ in die Arme laufen könnt und was schon die Qualität der Zeit über die Begegnung aussagt.

Natürlich gibt’s auch beste sowie schwierige Termine für Aussprachen und offene Gespräche über Gefühle, unerfüllte Sehnsüchte und Wünsche…

Das Übliche also! Aber wie fertig muss man sein, wenn man sich solche Videos wirklich für „mindestens 15 Minuten“ pro Sternzeichen antut? Den – wohl überwiegend – Zuhörerinnen wird permanent – mit enervierender Stimme, dickem Pathos und einer Mimik als wollte sie einem Kleinkind erklären wie man aufs Töpfchen geht – dick und fett Honig ums Maul geklatscht! Klar, das wollen die hören! Und jeden Monat wieder!

Eine Kartenlegerin muss natürlich auch sein. Auch hier ist es „Deutschlands Kartenlegerin Nr.1„! Auch diesen Namen – Sylvie Kollin – kannte ich bis dato noch nicht. In was sie Nummer 1 ist steht natürlich nicht da, aber ihr Selbstbewußtsein scheint grenzenlos:

„Man kann aus den Karten alles lesen. Die Karten sagen, was sowieso kommt“

Alles? Wirklich? Eingeladen ist auch einer ihrer Kunden: der Schauspieler Uwe Ochsenknecht, denn er

hat schon mehrmals den Rat der Kartenlegerin Sylvie Kollin gesucht und bescheinigt ihr eine neunzigprozentige Trefferquote.

Tut er tatsächlich, und zwar am Anfang und Ende ihres Imagevideos:

Wunderbar natürlich der Kerner-Schnipsel bei 0:34 …

Über Jürgen Fliege braucht man eigentlich nichts mehr schreiben. Dass der jeden esoterischen Mist vertritt ist bekannt. Ob man ihn mal wieder nach seiner Essenz fragen sollte? Vielleicht lässt er sich ja von Frau Gregor ein Liebeshoroskop erstellen …

Welche Rolle Prof. Dr. Ulrich Walter (Ex-Astronaut und Physiker) in diesem Panoptikum zugedacht ist weiß ich nicht. Dieser Satz …

Der Physiker und Lehrstuhlinhaber für Raumfahrttechnik hat sich einmal die Hand lesen lasse: Ihm wurde prophezeit, wie er sterben würde.

… macht kaum Hoffnung, dass er die rationale Seite vertreten soll. Man lässt in solchen Talksendungen ja gerne mal jemanden sprechen, der „beide Seiten“ irgendwie anerkennt. Und da ist ein Physikprofessor, der sich aus der Hand lesen liess, doch ein Supergast. Hoffentlich täusche ich mich mit dieser Einschätzung, und Prof. Walter macht es ebenso wie sein Kollege Prof. Martin Lambeck, der in ähnlichen Sendungen (z.B. auch bei Maischberger) immer wieder deutlich jeden Unsinn auch als solchen bezeichnete.

Bleibt noch einer, der sich garantiert dem ganzen Esoterikschwachsinn gegenüber stellt: Michael Schmidt-Salomon. Der Vorstandssprecher der Giordano Bruno Stiftung wird wie folgt angekündigt:

Glaube und Aberglaube, Horoskope und Tarotkarten seien „Schabernack mit einer Menge Risiken und Nebenwirkungen.“ Die Naivität der Menschen werde ausgenutzt, finanzielle und gesundheitliche Gefahren könnten die Folge sein

Stimmt natürlich. Aber er wird möglicherweise alleine gegen alle argumentieren müssen. Wenn er dann so argumentiert wie er in seinem letzten Buch „Keine Macht den Doofen“ schreibt, dann wird das beim Fernsehzuschauer den Eindruck eines hyperarroganten Skeptikers hinterlassen. Seine „Streitschrift“ enthält nämlich meines Erachtens außer verbalen Rundumschlägen (alles Idioten!!!) nur einen eindrucksvollen Beleg dafür, dass er von Ökonomie keine Ahnung hat. Ich drücke ihm natürlich trotzdem alle Daumen …

Schön wäre es ja gewesen, wenn in dieser Sendung auch echte Spezialisten eingeladen worden wären. Ich kenne da zum Beispiel mehrere Psychologen, die den Zuschauern hätten erklären können wie und warum der ganze Unsinn „funktioniert“ …

Update: 

Der Spiegel hat das ganze schön kritisiert, obwohl der Journalist zwischendurch wohl mehrmals nicht hingehört hat. Das merkt man an folgendem Absatz:

Michael Salomon erwies sich als solider Realist und Gegenpol zu dem Aszendenten- und Tarot-Geschnatter, das sich in der Maischbergers Runde ausgesprochen raumgreifend erhob. Der Autor und Sprecher der religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung erklärte, dass „Bahnensätze“ wie „bei aller Impulsivität sind sie doch ein sehr romantischer Geist“ irgendwie immer stimmen und brachte bisweilen gar Hella von Sinnen mit seinem etwas irritierenden Dauerlächeln zum Schweigen. Und er warnte vor der „sanften Verblödung“ durch Esoterik, wenn „Spitzentechnologie und Spitzenidiotie aufeinandertreffen“.

OK, der Mann heißt Schmidt Salomon, und war tatsächlich der einzige Lichtblick in der Sendung. „Bahnensätze“ (… ist inzwischen auf SPON korrigiert – aber auf meinem WEbCite-Link noch vorhanden)? Schmidt Salomon hat doch recht ausführlich erklären dürfen was „Barnumsätze“ sind … … aber egal. Ich hab‘ selten etwas peinlicheres im Fernsehen gesehen …





… und schon wieder ist Geld futsch …

16 07 2012

Gerade erst Chemnitz, jetzt Unterfranken. 11.600 Euro zahlte eine 37-jährige an vermeintliche Wahrsager – und wieder einmal war es die alte Masche: Angst einflösen, abkassieren – noch mehr Angst einflösen, noch mehr abkassieren. Dazu gab’s ein paar vermeintliche Zaubersprüche und eine von der Betrogenen nicht erfüllbare Forderung in Höhe von 30.000 Euro. Irgendwie kamen ihr dann doch Zweifel (die Wahrsagerinnen forderten weiteres Geld) und sie informierte die Polizei. Immerhin, die Betrüger wurden gefasst – dann allerdings wieder auf freien Fuß gesetzt. Jetzt wird weiter ermittelt, aber das Geld ist auf jeden Fall erst mal weg. OK, es gab schon krassere Fälle. Aber für die Betroffene dürfte auch dies ein recht herber Verlust sein.





Der 21.12.2012 ist wirklich ein wichtiges Datum …

14 07 2012

… zumindest für die Mitglieder eines Vereins (dessen Namen ich unkenntlich gemacht habe), denn da endet ein spezielles Angebot:

Toll! Ein Rabatt von bis zu 500 Euro! Und nur bis zum 21.12.2012! Aber warum endet das  Rabattangebot genau an jenem ominösen Datum, für das irgendwelche Spinner das „Ende der Welt“ oder sonst irgend welchen Schwachsinn vorhergesagt haben? Ist ein Angebot „bis um Weltuntergang“ nicht von vorne herein absoluter Schwachsinn?

Klar! Natürlich ist es das! Und das Ganze hat natürlich gar nichts mit dem Maya-Kalender zu tun. Dieses Datum ist aus ganz anderen Gründen relevant. Es geht nämlich um das Angebot für eine spezielle Art von Versicherungen, und in diesem Metier wird sich am 21.12.2012 in Europa  tatsächlich etwas Entscheidendes ändern. Ab diesem Tag dürfen nämlich – nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs – bestimmte Versicherungstarife nicht mehr verkauft werden, wenn Männer und Frauen unterschiedlich behandelt werden. Diese Geschichte ist keineswegs neu, denn schon Anfang 2011 wies die Presse auf diesen Umstand hin:

Zur Begründung verweist der EuGH auf die EU-Gleichstellungsrichtlinie aus dem Jahr 2004. Sie verlange geschlechtsneutrale sogenannte Unisex-Tarife im Grundsatz schon ab dem 21. Dezember 2007 und sehe eine Überprüfung nach fünf Jahren, also am 21. Dezember 2012, vor. Damit das Ziel der Gleichstellung nicht unterlaufen werde, seien Ausnahmen danach unzulässig, urteilte der EuGH.

In der Praxis bedeutet dies, dass die davon betroffenen Versicherungsprodukte dann entweder für Männer teurer und Frauen billiger oder für Männer billiger und für Frauen teurer werden – je nachdem, welche Risiken bei dem jeweiligen Produkt abgesichert werden sollen. Immerhin können die Maya-Kalender-Irgendwaswirdpassieren-Fuzzies jetzt sagen, dass sich an diesem Tag tatsächlich etwas „ändern“ wird. Ist aber wirklich nicht sooo wichtig … … es sei denn man arbeitet in dieser Branche …

 





Wenn Geld verschwindet …

10 07 2012

… dann kann dahinter eine selbst ernannte Wahrsagerin stecken, so wie letzte Woche in Chemnitz. Das übliche Drohen mit allerlei Bösem wurde dieses Mal durch eine „merkwürdige Prozedur mit einem Hühnerei“ unterstützt, die leider nicht näher spezifiziert wird. Ob es so ähnlich war wie hier? Egal, der Rest folgte diesem Trick aus dem Film „Der Clou“ – allerdings mit drei Tagen Verzögerung. Dass der älteren Dame über 10.000 Euro abgeknöpft wurde ist natürlich unschön – aber irgendwie sterben die Dummen wohl ebensowenig aus wie die skrupellosen Betrüger …





Labertaschenparade 2012, Teil 3: Kleine Blogauswahl und mehr

8 07 2012

Gerade mal 22 Astrologen, Hellseher und andere Zukunftsschwurbler hatte ich bisher hier erwähnt – da wird es langsam Zeit den großen Rest der Auguren, die sich für 2012 so Manches ausgedacht haben, zumindest namentlich zu erwähnen. OK, so richtig Überraschendes ist nicht dabei – erstaunlich war nur jene Hellseherin, die Science-Blogger Ulrich Berger überzeugen wollte und zu einem Test einlud

Hier erst mal 13 weitere (von inzwischen etwa 80) Kandidaten, die vielleicht am Jahresende im Rückblick erwähnt werden (die verlinkten Seiten zeigen nicht unbedingt auf einen für den Jahresrückblick relevanten Artikel):

  • Christa Heidecke (Vorsicht! Höchste Schwurbelstufe!)
  • Ursula Ortmann („im psychischen und physischen Bereich bahnbrechende Erneuerungen und Erfahrungen„)
  • Menega Sabidussi (Blabla a la „Seien Sie vom 13. bis 20. Juli im Strassenverkehr und auch sonst besonders umsichtig…“)
  • Stefan Arens (Energiegeblubber)
  • Stefan Ringstorff (Politik und Spamkommentare)
  • Aylin Bulanik (viel Politik und eine falsche Bürgermeisterprognose für Frankfurt)
  • Hellgard Nitsche (Klimawandel ist toll: „Als ob es nicht eine Tatsache ist, dass es der Erde in Warmzeiten immer besser ging, dass es mit mehr Killergas CO2 geradezu paradiesisch auf Erden war, mit einem üppigen Pflanzenwuchs und Bienen so groß wie heute Hasen sind.„)
  • Martin Michalowski (nur Werbung und ein wenig Beruhigung: „Die schrecklichen Prophezeiungen kann ich für 2012 und besonders auch für den 21.12.2012 nicht bestätigen.“ – dazu ein Text, der schon im Titel wunderbaren Unsinn verbindet: „Astromedizin ist kosmische Homöopathie„)
  • Joachim Nusch (Schwarzsehereien und Gelaber)
  • Norbert Giesow (auch hier wird schwarz gesehen …)
  • Monika Heer (sieht sogar ein wenig Positives!)
  • KarinMayer (der übliche Rundumschlag)
  • Petra Dörfert (Keine Prognosen und der folgende, durchaus überraschende Satz: „Um all das vorauszusagen benötigen wir jedenfalls keine Astrologie.„)

Egal was 2012 noch passiert: Wetten dass fast alle hier Genannten im Nachhinein ihre Texte als eingetroffene Prognose gewertet sehen wollen?





Die Venus und das Higgs-Boson

7 07 2012

Das Higgs-Boson (das mit dem G*-Teilchen erspare ich mir) sorgt in den letzten Tagen für Schlagzeilen und viele spannende Erklärungen in der Presse und den einschlägigen Blogs. Danke an die vielen Wissenschaftler, die mir mit ihren Erklärungen ein wenig Nachhilfe in Teilchenphysik gegeben haben – ich gestehe, dass ich bei diesem Thema noch eine ganze Menge Nachholbedarf bzw. Nachlernbedarf habe. Ich hätte natürlich darüber schreiben können, wie das Wetter an diesem Tag war oder wie ich mich persönlich an diesem Tag gefühlt habe oder wie meine Verdauung an diesem Tag funktionierte – und das alles irgendwie mit der Veröffentlichung in Beziehung setzen können, aber warum sollte ich das tun?

Für diese astrologische Online-Zeitung waren die Meldungen zum ggf. nachgewiesenen A-B-E-H-G-H-K-Mechanismus (so würde Higgs das Ganze selbst nennen wollen) natürlich nichts anderes als ein weiterer Beleg für die Astrologie. Nach einer Art Einleitung …

Wenn man als astrologisch interessierter Mensch diese Geschichte hört, drängen sich einem fast von selbst bestimmte kosmische Archetypen auf. Zum einen muss hier Uranisches am Werk gewesen sein, aber auch das Bildgebende (Venus) zusammen mit einem neuen Impuls (Mars) auf Wissensgebiete und Abstraktes bezogen (Merkur-Zwilling). Zudem muss die zeitliche Qualität des Augenblicks (Mundan-Bild) mit den Anlagen des Trägers und Manifestors (Radix von Higgs) in deutlicher Verbindung sein.

… findet Autor „meta“ dann problemlos allerlei astrologische Argumente Begründungen, in dem er sich das Geburtshoroskop von Higgs, das Horoskop des 17.Juli 1964 (12:15 Uhr für Edinburgh – da soll Higgs die Idee gehabt haben …) und das – vermeintliche – Horoskop der Pressekonferenz (4.7.2012, 08:50 Uhr, Meyrin – vermeintlich, weil die Pressekonferenz laut dieser Einladung in Viligen statt fand) anschaut. OK, hinterher etwas mit Horoskopbildchen zu begründen ist bekanntlich nicht schwer. Und im Nachhinein finden sich – wie immer – auch astrologische Begründungen:

Trotzdem, für Higgs war heute ein besonderer Tag. Und auch hier zeigt sich wieder, wie harmonisch und symmetrisch das astrologische Modell ist. Berechnet man nämlich ein Zeitcombin zwischen Higgs Radix und seiner Entdeckung 1964, finden wir Jupiter und Venus in enger Konjunktion im Zeichen Skorpion. Nimmt man nun das Radix der Pressekonferenz, finden wir Jupiter wiederum in Konjunktion mit Venus. Und beide stehen jetzt fast genau auf Peter Higgs Sonne.

Das Zeitcombin ist übrigens der Zeitpunkt, der genau in Mitte zweier gegebener (Geburts)daten (normalerweise zweier Partner o.ä) liegt, also noch ein weiteres, errechnetes Horoskopbildchen, dass der Autor dann mitdeutet. Dass Higgs solche Fantaseyen (ich zitiere nur Kepler) wohl schnurzpiepegal sind weiß der Autor wohl selbst wenn er schreibt:

Wie schade, dass er diese Art der Schönheit und Ausgewogenheit wahrscheinlich nie entdecken wird, zu viele Gräben liegen noch zwischen den modernen Wissenschaften und ihrem Ursprung.

Immerhin scheint er sich aber über die Entdeckung zu freuen, denn er fährt fort:

Trotzdem freut man sich als Forscher natürlich mit, wenn mit großem Aufwand (ca. 30 Milliarden $ hat der Nachweis bis heute gekostet) und viel Zeit (fast 50 Jahre) etwas entdeckt wurde, was Wissen vergrößert und zumindest theoretische Überlegungen über die Natur des Universums anregt.

Gut! In der Zeitung mit den großen Buchstaben kann man da ganz andere Kommentare lesen (… die hier eloquent gekontert werden). Die Hoffnungen des Astrologie-Autors im letzten Abschnitt sollte er aber lieber gleich begraben:

Denn vielleicht entstehen ja dadurch eines Tages auch neue Denk-Räume und Theorie-Felder, die den Zusammenhang zwischen äußeren Bewegungsabläufen (zB der Planeten), energetischen Phasenresonanzen und individueller Erfahrung und Wahrnehmung möglicher erscheinen lassen.

Herrlich! Ich liebe solche Sätze, die auch nach mehrmaligem Lesen keinerlei irgendwie gearteten sinnvollen Inhalt offenbaren. Ich kann mir durchaus vorstellen, was der Autor damit meinen will,  aber die „energetischen Phasenresonanzen“ machen diesen Satz zu einem typischen Beispiel für sinnloses Geschwurbel (welche Energie? welche Phase? welche Resonanz?). Wenigstens hat der Mann am Ende noch einen kleinen Humoranfall:

Und irgendjemand findet dann das Venus-Boson, das statt Masse Schönheit überträgt. Wer weiß…

Wie hätte mein Kölner Ex-Kollege mit todernster Miene darauf geantwortet: „Nä, wat hammer jelacht!“





Science Slam Lieblinge

4 07 2012

Bis jetzt hab‘ ich es ja noch nicht geschafft einen Science Slam in echt zu besuchen (…  irgendwie war ich immer zur falschen Zeit am falschen Ort – oder war schon anderweitig verplant …), aber zum Glück gibt es ja auf YouTube viele dieser Science Slam Beiträge zu sehen. Fast alle die ich mir angeschaut habe schaffen es ihre wissenschaftliche Forschung sehr unterhaltsam, spannend und lehrreich ‚rüberzubringen – auch wenn es sich bisweilen um Themen handelt, die wirklich nicht unbedingt von allgemeinem Interesse sind.  Hier ein paar Beispiele:

Für Nicht-Mathematiker und Nicht-Informatiker dürfte der Begriff Komplexitätstheorie eher fremd sein. OK, Mathematik gilt landläufig sowieso als „kompliziert“ – aber Kai Plociennik schafft es ganz gut das Thema zu erklären. Dass er außerdem mein mathematisches Lieblingsfachgebiet (Graphentheorie) streift und mich an einen – zugegeben alles andere als optimalen – Vortrag während meines Studiums (lang, lang ist’s her …) erinnert (N ≠ NP), erfreut mich natürlich besonders:

So Kurz nach der Fußball-EM lohnt es sich auch auf die Zukunft dieses Sports zu schauen – Johannes Kulick stellt Roboterfußballspielerin Anna vor und erklärt warum dieser Sport (und vieles andere) für Roboter so schwierig ist:

Eine wunderbare Erklärung für ein eigentlich recht kompliziertes, medizinisches Verfahren, das – zum vollen Verständnis – wohl tiefgreifende Kenntnisse in Physik, Biologie und Chemie voraussetzen würde, liefert André Lampe mit seiner Geschichte vom Hodenknackerfisch. Erfolgreiche Spitzenforschung wunderbar erklärt:

Über einen Teil unseres Körpers, den wir alle tagtäglich nutzen erzählt Giulia Enders. Trotz des Themas „Darm mit Charme“ ist das alles andere als anrüchig – und sie hat verdientermaßen bereits 2 Science Slams in diesem Jahr gewonnen:








%d Bloggern gefällt das: