Das Krankenhaus und der „falsche“ Energetiker – eine Wiener Melange aus aktuellem Anlass

20 03 2018

Seit Tagen geistert ein 95000-Euro-Skandal durch die österreichische Presse: Die Sache mit dem gerade im Bau befindlichen Wiener Krankenhaus Nord und dem von einer Verantwortlichen engagierten „Bewusstseinsforscher“, der diese Summe für die folgenden, im Rahmen eines Krankenhausbaues doch recht seltsamen, Dienstleistungen erhalten hat:

Für die direkt Beteiligten hatte das kein gutes Ende, denn wie der ORF berichtete gab es harte Konsequenzen:

Die bisherige Programmleiterin und ihr Stellvertreter befänden sich nun auf Urlaub, erklärte KAV-Direktorin Evelyn Kölldorfer-Leitgeb in einer Pressekonferenz. Sie seien am Montag ihrer Funktionen enthoben worden, weitere disziplinarrechtliche Schritte würden geprüft. Die beiden sollen den Auftrag für die „energetische Reinigung“ des KH Nord erteilt haben.

Inzwischen gab es einen weiteren Rücktritt (anderer Link) aber was dieser „Bewusstseinsforscher“ (ein ehemaliger Verkäufer von Autos und dazugehörigem Zubehör gemäß seiner Homepage)  denn nun genau gemacht hat, um sein Entgeld von 95000 Euro zu rechtfertigen, ist weiterhin weitgehend unklar. Auf jeden Fall soll es jetzt einen Untersuchungsausschuss (besserer Link) geben um das Ganze genauer zu prüfen.

Viel spannender ist allerdings, dass in der österreichischen Presse mehrmals von einem „Energetiker“ (oder heißt es nicht doch EnergetHiker“?) geschrieben wurde, einer österreichischen Spezialität, so einzigartig wie das Wiener Schnitzel. Während deutsche Heilpraktiker in Österreich sich möglicherweise wegen Quacksalberei verantworten müssten, sind östereichschische Energetiker gemäß Wikipedia zwar nicht zur Ausübung von medizinischen Tätigkeiten berechtigt, aber sie dürfen ja doch einiges, wie man auf dieser Seite sieht. Beispiele gefällig`Bitteschön:

Das vorliegende Berufsbild gilt für alle Personen, die im Rahmen des freien Gewerbes Hilfestellung
zur Erreichung einer körperlichen bzw. energetischen Ausgewogenheit:
– mittels der Methode von Dr. Bach,
– mittels Interpretation der Aura,
– mittels Magnetfeldanwendung,
– durch sanfte Berührung des Körpers bzw. gezieltes Auflegen der Hände an bestimmten Körperstellen,
– mittels Cranio Sacral Balancing
– durch Berücksichtigung der Auswirkungen der energetischen Geometrie und Lichtphysik,
– mittels Numerologie,
– durch Berücksichtigung von Planetenkonstellationen und lunaren Energien mittelbar oder unmittelbar am Menschen tätig sind.

Aber das was in diesem neu zu bauenden Klinikum geschah hat damit natürlich gar nichts zu tun, Der Obmann der Wiener Energetiker, ein gewisser Herr Lechner regt sich auf und weiß da ganz genau Bescheid (schönerer Link):

Mit dem „Energetiker“ des KH Nord sei die gesamte Branche in Verruf geraten. Energetiker ist deshalb unter Anführungszeichen gesetzt, weil – so betont Lechner – „der Herr gar kein Energetiker ist. Er hat keinen Gewerbeschein als Energetiker.“

Na und? Weiter faselt der Obmann von „Regeln“, gegen die der Mann verstoßen haben soll::

1.) „Energetiker geben keine unseriösen Versprechen bezüglich der zu erwartenden Wirkung der angewandten Methode und verpflichten sich zur Bescheidenheit im Umgang mit Erfolgen.“ 

Nun ja – was bedeutet das? Beispiele, bei denen Energetiker dagegen verstossen fördert eine google-Suche sofort zutage – aber gegen den 2, Punkt hat der Mann beim Krankenhaus definitiv verstossen:

2.) „Sie haben für Honorartransparenz einen klar definierten Arbeitsumfang und einen ordnungsgemäßen Vertragsabschluss vor Auftragsbeginn Sorge zu tragen.“

Und dann holt der Obmann so richtig aus:

Wahre Energetiker „harmonisieren Schwingungen. Man kann gar nicht Schutzringe zu deren Ausgrenzung machen“

Ich bin ja nicht sicher, das angesichts solcher, in einer Minute gefundenen, Angebote so etwas nicht auch im Angebot irgend eines Energetikers zu finden ist, aber immerhin weiß ich, dass es zur „Berufsanmeldung“ (die Anführungszeichen sind natürlich Absicht) keinerlei Ausbildung bedarf. Das hat 2015 eine Skeptikerin bewiesen und sich als Energetikerin – ohne jede Ausbildung (für was eigentlich?) und ohne jede Leistungsbeschreibung – registrieren lassen (leider ist ihre tolle Homepage von damals nicht mehr online).

Wenn es um Energieen geht, dann sollte man sich doch dann eher an „Die Stimme der Energie“ halten, ein Stückchen von der zweiten LP, die ich in meinem Leben erworben habe (die erste verschweige ich lieber – ok, ich oute mich: es war Juliane Werding, da wo auch der Hit „Am Tag als Conny Kramer starb“ drauf war …. … ja, so alt bin ich schon) , und das die wichtigsten Eigenheiten von Energie kurz zusammen fasst:

Alles andere ist esoterischer Firlefanz!





Abstruse Geschäftsidee (… und der Polsprung ist ausgefallen)

14 03 2018

Mit Geschäftsideen ist das so eine Sache. Manche sind auf den ersten Blick Unsinn, andere starten zur falschen Zeit und wieder andere sind einfach unverständlich. Während die erstere Variante keines Kommentares bedarf, es bei der zweiten Variante manchmal tragisch zu früh sein kann („Wow! 2018 fehlt hier noch ne Videothek, und das mit dem Internet brauchen wir wirklich nicht“) lässt einen die dritte Variante dann doch eher mit diversen Fragezeichen im Gesicht zurück.

Eine solche Geschäftsidee soll im Juni, rechtzeitig zur Weltmeisterschaft der Gegen-den-Ball-Kicker in Putinland, so richtig gestartet werden: AFC (Astrologisches Fußballcoaching) soll diese Firma heißen, die – gemäß diesem Artikel der Huffpost –  bereits in Köln gegründet wurde. Und was soll da passieren? Nun ja, so genau weiß man das nicht, denn der Gründer des Ganzen (der auch mal hier – aus unerfindlichen Gründen – portraitiert wurde) gibt ja auf die gestellten Fragen nur fürchterliches Geschwafel von sich. So reagiert er auf diese, ziemlich konkrete Frage …

Dennoch haben Sie in einem früheren Interview behauptet, dass Sie die Zukunft des Weltfußballs voraussehen könnten. Wie geht das zusammen?

… mit einer Antwort, die mit der Frage absolut gar nichts zu tun hat:

Schauen Sie, die Astrologie ist anders, als die meisten denken. Der Bürger denkt noch immer, ein Astrologe sitzt im Zelt vor einer Glaskugel und hat Visionen oder dergleichen. Das sind Jahrmarktsphantasien, die nichts mit der Realität zu tun hat. Die Astrologie steht in unseren Tagen nun mal in der Zirkusecke, und die Astrologen sind auch noch selbst schuld daran.

Und auch auf die Nachfrage „Wie meinen Sie das?“ folgt nur allgemeines Blabla, aber immerhin hat er es damit scheinbar geschafft, die Antwort auf diese Frage zu vermeiden. Noch besser ist seine astrologische Antwort auf die Frage „Worum geht es denn beim Fußball im Wesentlichen? Kann man das überhaupt mit Bestimmtheit sagen?„:

Ja. Ich kann Fußball astrologisch definieren.

Eine astrologische Definition für Fußball? Her damit! Aber es folgt:

Worum geht es? Auch wenn sich das für manche Ohren da draußen zunächst mal wie eine Binsenweisheit anhört: Es geht im Fußball um Tore.

Es hört sich nicht nur wie eine Binsenweisheit an, es ist einfach eine! Und wenn das die astrologische Definition sein soll, dann braucht niemand die Astrologie, denn dass es im Fußball um Tore geht weiß man auch ohne Sterndeutung. Immerhin wissen wir durch dieses Interview jetzt, dass es ab Juni eine Firma gibt, die

Profis, Trainern und Funktionären ambulante wie langfristige Hilfe und Begleitung anbietet.

Ach? Astrologische Hilfe und Begleitung? Ambulant (ein stationärer Aufenthalt beim Astrologen wäre jedem Trainer auch schwer zu erklären)? Also versucht wieder einmal jemand mit Astrologie Geld zu verdienen und fokussiert sich auf Fußball. OK, es gibt Fußballer, die auf Astrologie stehen, und auch Trainer (wie der ehemalige französische Nationaltrainer Domenech) mögen der Sternkunde zugetan sein, aber ob er Mann wirklich mit der Sternkunde etwas bewegen kann? Ich glaube es nicht, stelle mich aber gerne als Berater für entsprechende Testszenarien zur Verfügung, wenn der Gründer sich darauf einlässt.

Immerhin dürfte der Start dieses Geschäftsmodells nicht durch eine Art Weltuntergang gestört werden, denn der auf Facebook von einem einschlägig bekannten Schwurbifex vorausgesagte „Polsprung“ (ein Szenario, das seit vielen Jahren durch die esoterische Weltuntergangsszene wabert) hat offensichtlich auch am 13. März 2018 nicht stattgefunden. Kurz vor Mitternacht zeigt meine Kompaßnadel noch brav – zumindest ungefähr – in Richtung Norden.








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