Die Überschrift im Leverkusener Lokalteil der Rheinischen Post klingt sensationell:
Vorhersage für das Jahr 2016: Leverkusener Wahrsagerin lag bei vielen Fakten richtig
Tatsächlich? Schauen wir doch einfach mal nach, wie „richtig“ die Dame wirklich lag – und wie lächerlich der Lokalredakteur hier „Fakten“ geprüft hat. Fangen wir mit dem ersten von 4 Themen an, zu dem sich die Dame geäiußert hatte, es ging um den im Oktober 2015 neu gewählten Bürgermeister von Leverkusen Uwe Richrath, und das hatte die Hellseherin gesagt (nachdem sie natürlich keine Ahnung über seinen vorherigen Beruf hatte):
„Herr Richrath ist ein netter Mensch. Das sage ich, obwohl ich ihn überhaupt nicht kenne. Er hat zwei oder drei echte Feinde, die ihm übel mitspielen wollen. Aber er ist durchaus in der Lage, sich durchzusetzen. Und ich sehe, dass er ein Mensch ist, der andere führen und begeistern kann. Glauben Sie mir, der wird seinen Weg machen.“ Privat sieht die Hellseherin für Richrath auch größere Veränderungen für kommendes Jahr: „Ein Umzug, eine Renovierung – genauer kann ich es leider nicht sagen.“ Da müsse sie ihn treffen.
Reinstes Blabla also, denn einem neu gewählten Bürgermeister ein paar Feinde anzudichten (wie wäre es mit den Verlierern der Wahl?) und ihm zu attestieren, dass er wohl irgendwie begeistern kann (warum wurde er sonst gewählt?) ist in etwa so schwierig wie wenn die Hellseherin der ehrenamtlichen Leitung eines Tierheims Tierliebe nachgesagt hätte und sich dafür feiern lassen wollte. Trotzdem gibt es jetzt zumindest ein wenig Lob für die Hellseherin:
Die Umzugsabsichten verwies der Stadtchef gestern ins Reich der Träume. Auch echte Feinde hat er bisher nicht ausgemacht: „Ob ich nett bin, müssen andere beurteilen“, betont er. Wer in der Stadtverwaltung nachfragt, bekommt allerdings durchweg positive Einschätzungen über die Freundlichkeit Richraths, viele bescheinigen ihm auch gute Menschenführung. Trefferquote: 50 %
Nein, denn alle konkreten Prognosen (Umzug und/oder Renovierung) waren falsch, also 0%!
Weiter zum zweiten Thema: Hochwasser! Die Frage lautete „Wann gibt es das nächste Rhein-Hochwasser im Stadtgebiet?, und die Antwort war folgende:
„Legen Sie mich nicht auf den Monat genau fest, aber innerhalb der kommenden fünf Monate wird es ein Hochwasser in Leverkusen geben, das kann ich klar sehen.“
Nun ja, als Rheinanwohner kenne ich Hochwasser natürlich recht gut, und es gibt fast in jedem Jahr Sperrungen der ufernahen Radwege wegen Hochwasser. Die Prognose war also ein fast sicherer Treffer, der jedoch nicht beeindrucken kann. Warum der selbst ernannte Faktenchecker der RP allerdings folgendes schreibt ist wirklich nicht zu erklären:
Ende Mai wurde der Rheinradweg zwischen Wiesdorf und Rheindorf wegen Hochwassers gesperrt. Die Schiffsbrücke an der Wupper ebenso. Die Techischen Betriebe Leverkusen (TBL) standen bereit, Hochwassertore und die mobile Schutzwand in Hitdorf aufzubauen. Ein Frachtschiff fuhr sich in Höhe des Krancafés am Hitdorfer Hafen fest, der Kapitän hatte wegen des Hochwassers ein Hindernis übersehen. Trefferquote: 100 %
OK, es gab – wie fast in jedem Jahr – Hochwasser, aber das festgefahrene Frachtschiff ist kein Beleg für irgendetwas, sondern reines Gefasel, das nichts mit der Prognose zu tun hat. Da die Dame mit ihrer Fünfonatsprognose knapp richtig lag darf man ihr hier den Treffer nicht verweigern, aber die Prognose war doch sehr schwachbrüstig: Ich würde vorab von einer Hellseherin dann schon erwarten, dass sie den Zeitraum etwas genauer eingrenzt und auch die Höhe der Hochwasserwelle nennen kann – falls nicht verweise ich jetzt schon mal auf meine weiter unten folgenden Sensationsprognosen (… die die RP gerne überprüfen darf).
Das dritte Thema – die Autobahnbrücke in Leverkusen – wird im „Faktencheck“ nicht erwähnt (war eh nur Blabla), dann also gleich zu Nummer vier der Prognosen von Hellseherin Rosalia – jetzt geht es um das Thema Flüchtlinge, im Detail um folgende Frage: “ Wie wird sich die Situation rund um den Flüchtlingszustrom nach Leverkusen im kommenden Jahr entwickeln?“ Und das war die Antwort der Hellseherin:
„Ich sehe, dass sich die Haltung in der Bevölkerung der Stadt grundlegend ändern wird. Das hat allerdings nichts mit mangelnder Hilfsbereitschaft zu tun, sondern vor allem mit der Tatsache, dass das Geld im kommenden Jahr deutlich knapper werden wird. Und wo es nicht mehr so viel zu verteilen gibt, werden die Angst und auch der Ärger entsprechend zunehmen.“
Es ging also ums Geld, und ansonsten um nichts! Wie der vermeintliche Lokalredakteur der Rheinischen Post daraus einen Treffer macht ist schon sensationell:
Vorhersage Flüchtlingszustrom
„Ich sehe, dass sich die Haltung in der Bevölkerung grundlegend ändern wird“, sagte Madame Rosalia. Angst und auch der Ärger würden entsprechend zunehmen.
Ergebnis: Tags darauf bestätigten die Kölner Silvesterkrawalle und ihre Auswirkungen die Wahrsagerin auf die denkbar unangenehmste Weise. Gleichwohl wird in Leverkusen weiterhin engagierte Flüchtlings-Arbeit geleistet.
Trefferquote: 80 %
Nö! Trefferquote 0%! Über die Silvesterkrawalle hatte die Hellseherin genau was gesagt? Gar nichts! Dass es in der Frage und der Antwort um Leverkusen ging, auch darüber im aktuellen Artikel kein einziges Wörtchen! Für diese Meisterleistung des Lokaljournalismus habe ich eben gerade die Kategorie „Fakenews“ für diesen Blog eingeführt …
Und ja, ich bin bereit gegen diese Hellseherin anzutreten und habe extra für Leverkusen folgende Prognosen aus den Fingern gesaugt erwürfelt nach intensivem Telepadingsbums-Kontakt zu meinem Guru (er weiß wer gemeint ist) hellgesehen:
- gegen Abend eines jeden der nächsten 365 Tage wird mit zunehmender Dunkelheit zu rechnen sein!
- in den nächsten 5 Monaten wird es mindestens drei Tage geben, an denen in Leverkusen (!!!) Wasser vom Himmel fällt!
- der Bürgermeister von Leverkusen wird in den nächsten 10 Wochen von der Lokalzeitung zu einem Thema wörtlich zitiert werden!
- am Autobahnkreuz Leverkusen wird es binnen der nächsten 12 Monate mindestens 3 Staus und mindestens 17 Mal „stockender Verkehr“ geben!
Ja ja, ich weiß, ich werde zu 100% richtig liegen! Jetzt erwarte ich von der Rheinischen Pest Post aber spätestens im Mai 2018 auch eine entsprechende Lobhudelei!
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