Bankgeschäfte und Heilpraktiker oder warum ich eine e-Petition unterschrieben habe

7 10 2011

Es gibt in diesem Land Gesetze, deren Einführung nicht einmal eine mächtig scheinende Lobby verhindern konnte. In zwei Branchen, die ich aus beruflichen Gründen recht gut kenne, war das in den letzten Jahren der Fall und jeweils wurde die Einführung des entsprechenden Gesetzes mit dem Verbraucherschutz begründet. Es geht um die inzwischen obligatorischen Beratungsprotokolle die bei der Vermittlung von Versicherungsprodukten (seit Mai 2007) und in der Anlageberatung (seit 1.1.2010) ausgefüllt werden müssen. In beiden Fällen muss der Verkäufer dokumentieren, wie er die persönliche Situation des Kunden analysiert und welche Produkte er warum empfohlen hat. Eine gute Sache, die nicht nur dem Kunden dient, sondern auch dem jeweiligen Verkäufer, denn wer ordentlich berät und dokumentiert, über den kann sich auch nachher kein Kunde beschweren. OK, das Ganze ist noch lange nicht perfekt (so muss nicht bei allen Anlageprodukten ein Beratungsprotokoll erstellt werden und die dafür zur Verfügung gestellten Formulare werden teilweise von Verbraucherzentralen und der BAFin kritisiert), aber es ist ein Anfang. Der Gesetzgeber hat hier die Rechte der Kunden gestärkt, damit diese eine Handhabe bei fehlerhaften Beratungen haben und gegebenenfalls auch Schadenersatz verlangen können, falls das angelegte Geld „futsch“ ist.

Klar, wenn Geld aus Kundensicht „vernichtet“ wird ist das sehr ärgerlich. Viel schlimmer ist es jedoch, wenn ähnliche Fehler im Gesundheitsbereich passieren. Hier können Fehler schlimmstenfalls tödlich sein. Wobei für Ärzte schon lange eine Dokumentationspflicht besteht:

Diese Aufzeichnung dient dem Arzt selbst als Rechenschaft über den Behandlungsweg sowie für weiterbehandelnde Ärzte als Informationsquelle. Ebenfalls ist sie eine wichtige Information für den/die Patient/in. Die vom Arzt aufzubewahrenden Dokumente beinhalten Aufzeichnungen über den Krankheits- und Behandlungsverlauf, Arztbriefe mitbehandelnder Ärzte, Röntgenbilder, Befunde (EKG, Laborwerte) sowie Hinweise über die Patientenaufklärung und Patienteneinwilligung. Bei mangelhafter Dokumentation des Arztes kann sich die Beweislast zu seinen Ungunsten umkehren.

Eigentlich logisch, dass ein Arzt genau dokumentieren muss, welche Diagnose er wann und warum erstellt und wie er den Kunden ggf. beraten hat und welche Behandlung daraus resultierte. Festgelegt ist das übrigens in §10 des ärztlichen Standesrechts, und was dies bedeutet wird hier aufgelistet:

Aufzuzeichnen sind hingegen Anamnese, Diagnose und Therapie. Ebenfalls festzuhalten sind diagnostische Bemühungen, Funktionsbefunde, Medikation, ärztliche Hinweise und Anweisungen an die Funktions- und Behandlungspflege sowie jedes Abweichen von Standardbehandlungen. Selbstverständlich ist die Anfertigung eines Operationsberichts und eines Narkoseprotokolls. Zu notieren sind auch das Auftreten etwaiger Komplikationen, der Wechsel des Operateurs während der Operation und Maßnahmen zur Anfängerkontrolle. Dokumentiert werden muss ferner das Verlassen des Krankenhauses durch den Patienten gegen den ärztlichen Rat sowie Sicherheitsvorkehrungen, die gegen eine Selbstschädigung des Patienten getroffen worden sind. Auch die Patientendaten wie Gewicht, Blutgruppe, präoperativer Allgemeinzustand, Verträglichkeit früherer Eingriffe und Medikationen sowie Allergieneigungen sind aufzunehmen.

Auch hier ist mit Sicherheit nicht alles perfekt (in diesem aktuellen Fall soll ein Arzt Krankenakten im Nachhinein „neu erstellt“ haben – wobei dann für ihn ungünstige Inhalte irgendwie verschwunden sind), aber auch hier gilt: Wer seinem Job ordentlich nachgeht, der hat auch kein Problem damit seine Aktivitäten im Detail zu dokumentieren.

Nun gibt es aber im Gesundheitsbereich eine Berufsgruppe, die ihre Diagnosen, Empfehlungen und Behandlungen nicht dokumentieren muss, nämlich die Heilpraktiker. Die dürfen gemäß Heilpraktikergesetz zwar auch Heilkunde ausüben, unterliegen aber keinerlei Dokumentationspflichten. Die Fachverbände empfehlen zwar eine ausführliche Dokumentation (z.B. hier oder hier), aber weder ist ein Heilpraktiker verpflichtet einem solchen Fachverband beizutreten noch hat er Sanktionen zu befürchten, falls er dieser Empfehlung nicht folgt.

Hier ist also – ähnlich wie bei der Einführung der oben erwähnten Beratungsprotokolle bei Finanzprodukten – der Gesetzgeber am Zug. Wenn dieser schon die Ausübung eines solchen Heilberufes (für den es keine Ausbildungsordnung gibt – inzwischen müssen übrigens Versicherungsvermittler gemäß der Verordnung über die Versicherungsvermittlung und -beratung, § 1-4,  eine Sachkundeprüfung nachweisen) erlaubt, dann sollte er die Heilpraktiker doch auch mindestens dazu verpflichten eine ordentliche und ausführliche Dokumentation analog des ärztlichen Standesrechts (s.o.) zu führen, die dem Patienten bzw. anderen behandelnden Ärzten und Heilpraktikern zur Verfügung gestellt werden kann (und auf Anforderung des Patienten muss!). Auch hier gilt, dass ein Heilpraktiker, der in seiner Tätigkeit den vom Heilpraktikergesetz vorgegebenen Rahmen nicht überschreitet (und auch ansonsten seinem Patienten keinen Nonsens erzählt – solche Heilpraktiker soll es tatsächlich geben!), nichts zu befürchten hat.

Wenn in dieser e-Petition die Dokumentationspflicht für Heilpraktiker gefordert wird, kann ich also nur zur Mitunterzeichnung aufrufen … … und eigentlich müssten auch zumindest die beiden oben verlinkten Heilpraktikerverbände ihre Mitglieder zur Mitunterzeichnung motivieren (oder sind die Anforderungen und Empfehlungen zur Dokumentation dort reine Lippenbekenntnisse?) um sich von den schwarzen Schafen der Branche abzuheben. Bis zum 17. November ist übrigens noch Zeit – und hoffentlich können Hinweise auf die Petition wie die im GWUP-Blog möglichst viele Menschen zum Mitzeichnen bewegen.


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15 responses

7 10 2011
jemseneier

…wäre im Grunde auch noch auf die ganze Coaching und Berater-Szene auszuweiten, nicht nur auf die Heilpraktiker und Bankberater.
Viele Coachs machen im Grunde ähnliches wie Heilpraktiker, werden aber so gut wie gar nicht kontrolliert.
LG.

7 10 2011
wahrsagercheck

@jemseneier
Richtig! Es gab da sogar eine Gesetzesinitiative von 1997 (Nachzulesen ist der Gesetzentwurf unter http://www.agpf.de/Bundesratsdrucksache-351-1-97-LBHG.pdf), die allerdings im Sande verlaufen ist.

7 10 2011
Horst Lauer

Dokumentationspflicht für Berater?
Ok, warum nicht auch eine für Friseure (können einem ins Ohr schneiden, die Kopfhaut verätzen oder die Lungen mit ihrem Haarspray verkleben), Nagelpfleger (können einem einen hartnäckigen Pilz anhängen), KFZ-Mechaniker (gefährden beim Schlampen die Verkehrssicherheit), Backwarenverkäufer (laufen Gefahr mit ungewaschenen Fingern Bazillen zu verbreiten), Lehrer (können den Nachwachs verdummen) – und natürlich für Immobilienmakler, Gebrauchtwagenhändler und Politiker (stehen alle eh unter Generalverdacht).
Gute Besserung!

7 10 2011
wahrsagercheck

@Horst Lauer
Wenn der Friseur die Kopfhaut verätzt oder das Ohr abschnippelt, dann kann man ihn selbstverständlich verklagen (es soll auch schon Klagen wegen falsch gefärbter Haare gegeben haben) – die Doku liefert da das ärztliche Bulletin.
Bei Nagelpfleger kenne ich mich nicht aus, aber beim Verkauf von Backwaren (bzw. offenen Lebensmitteln generell) sind Verstöße gegen geltende Hygienevorschriften keine Kleinigkeit und werden bisweilen mit dem Schließen des ganzen Ladens bestraft.
Und klar: Wenn sie einen Unfall bauen, weil der Mechaniker vergessen hat die Reifen festzuziehen, dann haben sie selbstverständlich die Möglichkeit den Mechaniker bzw. seine Firma zu verklagen (… dort wird übrigens jeder Handgriff dokumentiert – weil er auch in Rechnung gestellt werden kann).
Bei Gebrauchtwagenhändlern kriegen sie einen Kaufvertrag, bei Geschäften mit Immobilienmakler wird – zumindest beim Kauf – ein Notar hinzugezogen, der das alles ganz genau und akribisch dokumentiert.
Der Lehrer muss heutzutage dafür sorgen, dass seine Schüler bei Schulleistungsuntersuchungennicht gerade am unteren Ende der Skala abschneiden – sonst gefärdet das zumindest seinen Ruf.
Irgend eine Dokumentation gibt es also so ziemlich überall – warum dann nicht auch bei Heilpraktikern??????

Bei den Politikern gebe ich Ihnen allerdings Recht, da hätte ich wirklich gerne mehr Dokumentation (… zumindest die Anwesenheitszeiten in Parlament und Ausschüssen, sowie alle Nebeneinkünfte).

8 10 2011
Horst Lauer

Bei Heilpraktikern stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Keine Frage. Mein Einwurf bezog sich auf die Ausdehnung auf so ziemliche alle Berufe, die der vorangegangene Kommentator forderte.
Übrigens muss ich Sie korrigieren. Die gesetzlichen Hygienestandards werden zB bei deutschen Friseuren kaum eingehalten, geschweige denn dokumentiert. Geräte werden in der Regel nicht desiniziert, Rasierklingen bei mehreren Kunden benutzt usw. Und es gibt keine Dokumentationspflicht.
Übrigens haften auch Makler in Deutschland, ander als zB in den USA und Kanada kaum für ihr Tun. Zudem bedarf es für diesen Job keiner Ausbildung – wie sich da zum Teil 5% Provision rechtfertigen lassen, das bleibt ein Rätsel.
In Krankenhäusern wird in den meisten Bundesländern bis zum heutigen Tag weder dokumentiert, geschweige denn gesetzlich geregelt.
So könnte man nun stundenlang weitermachen.
Also, Dokumentationspflicht für Heilpraktiker, ja bitte! Wobei ich selber sowieso nie zu so jemandem gehen würde.
Aber bevor man die Dokumentationspflicht für Personal Trainer, Fitness Coaches und dergleichen turnendes Volk fordert, sollte man drängendere Probleme angehen. Zum Beispiel die Friseure so lange kontrollieren, bis sie endlich saubere Geräte haben oder die Ärzte, bis sie sich endlich konsequent die Hände desinfizieren!

8 10 2011
Horst Lauer

Es sollte heissen: In Krankenhäusern wird in den meisten Bundesländern bis zum heutigen Tag die Händehygiene weder dokumentiert, geschweige denn gesetzlich geregelt.

8 10 2011
Horst Lauer

Es sollte heissen: In Krankenhäusern wird (…) bis zum heutigen Tag die Händehygiene weder dokumentiert, (…).

8 10 2011
wahrsagercheck

@Horst Lauer
Dass es in vielen Bereichen Optimierungsbedarf gibt, da werde ich Ihnen nicht widersprechen. Und es ging – zumindest habe ich es so verstanden – auch nicht um alle Berufe sondern nur um solche, bei denen für Geld immaterielle Beratungsleistungen (z.B. Lebensberatung – der Autor schrieb ja auch von Coaching und Berater-Szene) abgerechnet werden und absolut keine Qualitätskontrolle (wegen fehlender Dokumentation) möglich ist.

9 10 2011
jemseneier

An Fitness-Trainer hätte ich in erster Linie gar nicht gedacht (obwohl die auch viel kaputt machen können)
Mir ging´s um Psychospielchen und krude Methoden, die im Bereich Firmencoaching und Personalcoaching stattfinden und eventuell in Problemen wie Burn-Out münden!
…und dieser Burn-out wird dann möglicherweise sogar noch von den gleichen Leuten behandelt, obwohl garkeine heilberufliche Ausbildung vorhanden ist. Wird dann als Prävention (an Betroffenen!?…) verkauft.
Darum geht`s mir!

Zur Notwendigkeit bei Heilpraktikern:
http://www.oekotest.de/cgi/index.cgi?artnr=38457;bernr=06;co=

9 10 2011
Horst Lauer

„Prävention“ an Betroffenen wäre doch kein Fall für eine Dokumentation, sondern ist schlicht rechtswidrig.
Egal, ob Turnlehrer, Firmenpsychologen, Priester (Dokumentation bei der Beichte?!?!) oder Friseure: alles können bei ihrem Job erheblich Mist bauen.
Sie haben ja recht, wenn Sie eine Dokumentationspflicht für Heilpraktiker fordern, denn diese üben ja medizinische Handlungen aus. Aber mit weitergehenden Forderungen, die schnell im Absurden enden, schaden Sie Ihrem ehrenhaften Anliegen.

9 10 2011
Links und Video der Woche (2011/40) :: cimddwc

[…] Zur e-Petition über Dokumentationspflicht auch für Heilpraktiker schreibt der Wahrsagerchecker: Bankgeschäfte und Heilpraktiker oder warum ich eine e-Petition unterschrieben habe […]

9 10 2011
Ulf. Mehr oder minder täglich Privatkram.

Gleiche Rechte, gleiche Pflichten! Kein Sonderrecht für Quacksalber!…

Wer therapiert, muß seine Maßnahmen nachweisen. Das ist auch gut so- So kann man dann bei eventuellen Problemen besser nachvollziehen, was wann wie und ob es lege artis(( lege artis: nach den Regeln……

12 10 2011
Ute

Da sag‘ ich mal Danke fürs Weiterverbreiten, gell? 😉

25 10 2011
Horst lauer | Jadelogistics

[…] Bankgeschäfte und Heilpraktiker oder warum ich eine e-Petition … […]

26 12 2012
Statistiker

Herr Lauer, natürlich wird in Krankenhäusern dokumentiert, auch wenn sie dies negieren.

Und wenn ich mein Auto zur Inspektion bringe, bekomme ich einen Prüfbericht, in dem alle Kontrollen und die Maßnahmen dokumentiert sind.

Negieren sie nicht die Realität, nur weil sie Nichtrealitäten propagieren!

PS: Im ihrem Fall halte ich die Großschreibung des „sie“ für unangebracht.

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