Gibt’s tatsächlich: Ein Gesetz gegen das Ausnutzen von Aberglauben und Leichtgläubigkeit

25 02 2018

Im schweizerischen Tagblatt fand sich am Wochenende ein interessanter Artikel mir dem Titel „Der Teufel hat hier nichts verloren“. Thema war eine Besonderheit im Strafrecht des Kantons Thurgau, denn dort gibt es unter den „Übertretungsstraftatbeständen“ einen wohl ziemlich einmaligen Paragrafen (Nr. 32) der wie folgt lautet:

Wer gewerbsmässig den Aberglauben oder die Leichtgläubigkeit anderer durch Wahrsagen, Traumdeuten, Kartenlegen, Geisterbeschwören, Teufelsaustreibungen oder auf ähnliche Art und Weise ausbeutet, wird mit Busse bestraft.

Wow! So einfach kann ein Gesetz gegen esoterische Abzocke formuliert sein! Ob dies ein gewisser Herr Lehmann wusste, als er 2009 ausgerechnet in Kreuzlingen ein Hotel bezog um Kunden für seine Wahrsagerei anzulocken? Immerhin hatte das für ihn keinerlei Konsequenzen, denn wie die Zeitung meldete wurde der Paragraf erst ein einziges Mal angewendet und führte 2011 zu einem Bußgeld von 300 Franken. Die Täterin hatte ihrem Opfer irgendwelche Rituale versprochen und dafür immer wieder Geld verlangt – bis diese eben die Polizei informierte. Für eines der Rituale sollte das Opfer ein altes T-Shirt und ein Ei parat halten – das scheint 2011 eine beliebte Abzockermethode gewesen zu sein, denn auch in Düsseldorf wurde 2011 ein ähnlicher Fall aktenkundig, der übrigens auch zu einer Bestrafung (1200 Euro) geführt hatte.

Dass der Paragraf früher statt Teufelsaustreibungen die „Anleitung zum Schatzgraben“ unter Strafe stellte ist ein interessantes Detail – offensichtlich scheint dies heutzutage nicht mehr als Problem angesehen zu werden. Warum es überhaupt so ein Gesetz gibt kann man in der Begründung der früheren Fassung nachlesen:

Diese Bestimmung wurde schon oft vermisst. Bisher war die Bestrafung der Wahrsager usw. nur möglich, wenn der Tatbestand des Betrugs erfüllt war, was nicht immer zutrifft und namentlich nicht leicht bewiesen werden kann. 

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen – außer dass man der Liste der unter Strafe gestellten gewerbsmäßigen Tätigkeiten bestimmt noch die ein oder andere hinzufügen könnte. Nutzen nicht auch religiöse Würdenträger die Leichtgläubigkeit von Menschen gewerbsmäßig aus? Und wer definiert eigentlich was man als „Aberglaube“ zu verstehen hat?





Die Angst der Homöopathen vor der Öffentlichkeit (mit aktuellem Update)

6 02 2018

Aus dem Internet – insbesondere Facebook – kennt man das ja: Unliebsame Kommentatoren werden geblockt, deren Beiträge kommentarlos gelöscht. Was macht man aber, wenn man nicht im Internet unterwegs ist sondern an einer Uni eine „Ringvorleseung“ anbietet? Man macht die Kritiker auf Old-School-Art mundtot!

So geschehen an der Uni Kiel, und dankenswerter Weise von ein paar Studenten ordentlich dokumentiert. OK, die „Ringvorlesung“ war schon mal keine Veranstaltung der Universität, wollte aber wohl mit der Wahl des Titels „Ringvorlesung“ irgendwie suggerieren, dass es sich um eine offizielle Veranstaltung der Universität handelte. War es aber gar nicht …

Die erste Veranstaltung sollte eine Einführung in die Homöopathie beinhalten und wurde – wie die ganze Veranstaltungsreihe – natürlich nicht von der Uni veranstaltet sondern fand mit finanzieller Unterstützung der einschlägig bekannten Carstens-Stiftung (die „Ringvorlesung“ im Sommersemester 2017 wurde dort auch beworben) statt. Das weitgehend neutrale Protokoll dieser Veranstaltung hatte jedoch Folgen. Denn ab dem zweiten Termin hatten die Veranstalter keine Lust mehr auf solche Protokolle und bemühten fadenscheinige Begründungen um den Zuhörern einen Maulkorb zu verpassen. Das gelang in Form einer von den Zuhörern eingeforderten „Schweigepflichtserklärung“, die auf der verlinkten Seite netterweise abgebildet ist. Es ist schon komisch, dass man eine Werbeveranstaltung für die Homöopathie macht und dann den Zuhörern verbietet darüber zu reden. Aber es wurde noch schlimmer …

Bei der dritten Veranstaltung sollten sich die Unterzeichner der Schweigepflichtserklärung sogar noch ausweisen! Man kann natürlich dem Veranstalter hier ein gewisses Hausrecht zugestehen, aber wenn man das Ganze „Ringvorlesung“ nennt, dann ist das schon sehr deplaziert. Aus der Beschreibung des – abgebrochenen – Besuchs der dritten Veranstaltung ist dann auch der wahre Grund der eingeforderten Schweigepflichtserklärung klar ersichtlich: Man wolle solche Protokolle wie von der ersten Veranstaltung verhindern …

Tja, liebe Homöopathen, Kritiker mundtot machen ist eine ziemlich lächerliche Strategie. Wenn ihr nicht wollt, dass irgendjemand über eure „Vorlesungen“ berichtet, dann haltet sie statt an der Uni („Ringvorlesung“? Pah!) in Hinterzimmern von Kneipen oder in der Praxis eines eurer Mitglieder ab – an der Uni hat dieser Nonsens schon lange nichts mehr zu suchen (es sei denn ihr könnt Evidenz nachweisen). Denk- und Diskussionsverbote von den Besuchern eurer Veranstaltungen zu fordern ist aber einfach nur armselig. In anderen Zusammenhängen werbt ihr doch sehr gerne für euren Kram

Bleibt zu hoffen, dass die Uni Kiel sich wenigstens für die Zukunft die Titulierung dieser Werbeveranstaltung als „Ringvorlesung“ verbittet (… oder keine Räume mehr zur Verfügung stellt).

Update: Die letzte „Ringvorlesung“ – terminiert auf den 30.01.2018 – wurde „aus persönlichen Gründen der Referentin“ (!!!) abgesagt. Noch besser aber ist, dass sich das Präsidium der Universität wie folgt äußerte:

[…] ich kann Ihnen bestätigen, dass das Präsidium der CAU den Arbeitskreis gebeten hat, zukünftige Veranstaltungen in anderen Räumlichkeiten abzuhalten. Vonseiten der Universität werden keine Räume mehr zur Verfügung gestellt. Eine detaillierte Bewertung der Veranstaltungsinhalte war mit dieser Entscheidung allerdings nicht verbunden […]

Klingt gar nicht mal schlecht! Danke an eNBeWe, aus dessen Blog über „Coding, Life and more“ de meisten Informationen stammen. Sehr gute skeptische Basisarbeit und dann auch noch erfolgreich! Klasse!