War zu erwarten: Astrologische Leichenfledderei zum Germanwings-Unglück

21 05 2015

Als Ende März der Absturz eines Germanwings-Fluges tagelang die Medien beschäftigte war klar, dass einige Astrologen eine solche Vorlage zur Leichenfledderei dankbar annehmen würden. Hier eine kleine Auswahl dieser Pietätlosigkeiten …

Fangen wir bei Olaf Staudt an, der natürlich wieder irgendetwas vorhergesehen haben will. In seinem März/April Newsletter steht tatsächlich folgendes:

Spannungsreiche Konstellationen sind dann erneut an den Tagen um den 25. März fällig: Mars spiegelt sich mit Saturn, Sonne steht in Saturn/Pluto. Denkbare Entsprechungen sind einmal mehr extreme Wetterbedingungen, Unglücksfälle oder andere krisenhafte Ereignisse.

Die Prognose, dass irgendetwas „um den 25. März“ passieren könnte ist schon lächerlich genug, denn bei einer solch allgemeinen Blablaprognose wäre auch das Umfallen eines der sprichwörtlichen chinesischen Reissäcke ja eine „denkbare Entsprechung“. Diese aber auch noch als auf das tragische Flugzeugunglück passend zu erklären ist schon eine ziemliche Frechheit. Und natürlich findet Herr Staudt sowohl im Horoskop des Absturzzeitpunkts, des Flugzeuges (!!!), der Bundesrepublik Deutschland (!!!) und natürlich in dem des Piloten massenhaft irgendwelche Pseudoerklärungen, die in folgender Passage gipfeln:

Die halbe progressive Sonne (SO/WI progressiv) deckte sich mit Saturn progressiv und Uranus Radix (Teiler 6) – Entsprechung für ein plötzliches, gravierendes Ereignis.
SO/WI progressiv in den Achsen SA/NE und UR/NE der Progression (Teiler 3) steht für psychisch belastende Zustände, Krankheit, Ohnmacht. Bereits diese Kombinationen allein hätten ausgereicht, um das Ereignis treffend zu beschreiben.

 Nö!

Der Newsletter des Allgeier-Verlags zeigte sich von dem Ereignis überrascht:

Als die Maschine am 24. März um 10:01 in Barcelona abhob, fanden sich keine klassischen Absturzkonstellationen am Himmel. Als wir damals von dem Unglück hörten und noch nicht wussten, dass es die Tat eines Massenmörders war, waren wir zugegebenermaßen irritiert.

Aber nachher findet man natürlich doch noch etwas Passendes:

Das Abflugshoroskop deutet allerdings mit dem Fische-Neptun am Zenit im Quadrat zu Saturn und Aszendent an, dass in diesem Fall die Führung (10. Haus), also ein Pilot, psychisch angeschlagen war. Und Pluto im Todeshaus Haus 8 im Quadrat zu Uranus in Haus 11 kann für den Tod bzw. das Massenschicksal einer Gruppe stehen.

Aha! Und welches Horoskop hatte nun diese Gruppe? Wie bei Herrn Staudt werden nun hemmungslos astrologische Mutmaßungen über den Piloten vom Stapel gelassen, und nicht nur über ihn:

Nicht jeder Mensch, der wie Andreas Lubitz am 18.12.1987 geboren wurde, ist ein Mörder. Aber, wir können durchaus behaupten, dass Menschen an diesem Tag geboren wurden, durchaus schwierige Konstellationen im Horoskop haben.

Natürlich kann der Newsletter das behaupten, aber eine übelste Leichenfledderei bleibt diese bodenlose Frechheit trotzdem!

Demgegenüber ist der erste Artikel zum Thema in der Astrologie-Online-Postille Loop! ja wirklich vorsichtig. OK, auch hier wird das Horoskop des Erstflugs des Unglücksflugzeugs gedeutet, und die ursprünglich geplante und tatsächliche Abflugszeit in Barcelona – und natürlich werden wieder die üblichen Pseudoerklärungen gefunden. Am Ende gibt es folgenden Satz:

Das mag auf den ersten Blick für ungeübte Augen alles etwas unklar und zufällig wirken, deswegen nochmals der Hinweis auf andere Artikel zu anderen Fällen. Aber auch der Absturz von Air Asia-Flug 8501 im Dezember zeigt ein ähnliches Bild, wenn auch mit anderen Komponenten.

Äh ja, klar – irgendwelche „Komponenten“ lassen sich in jedem Horoskopbild finden. Hier ein Beispiel aus meinem Fundus, selbst gebastelt (mit einem Astrologieprogramm) und mit nicht einmal allen eingeschalteten Optionen (jede Linie harrt einer Deutung …):

horrorskop

Und natürlich legt Loop! später noch mit einer Deutung des Pilotenhoroskops nach – auch hier wieder wilde Mutmaßungen über die Psyche des Piloten, nicht einmal auf BILD-Niveau und nur gespeist von der eigenen Selbstüberschätzung …

Bei top-Astro wurden keine besondere Konstellationen zum Start- und Absturztermin gefunden, jedoch auch hier wieder zum Erstflug des Fliegers. Das gipfelt darin, dass hier wieder einmal behauptet wird, man könne solche Unfälle irgendwie doch voraussehen:

Die Untersuchung der Transite zu einem bestimmten Ereignishoroskop, hier diejenigen zum Erstflug der Maschine, haben sich noch immer als besonders hilfreich und aussagekräftig erwiesen, so auch in diesem Fall. Bei einer solchen Häufung relevanter Konstellationen sollte zumindest große Vorsicht geboten sein. Hätte man als Astrologe die aktuellen Saturn- und Jupiter-Transite zum Radix als bedenklich erkannt, könnte man durch die Frage, wann denn bei den kritischen Wochen ein auslösender Tag ist, auf die Merkur-Chiron-Konjunktion gekommen sein.

Tja, Herr Liefeld, dann zeigen sie das doch einfach! Es gibt so viele Flugzeuge und so viele Abflugzeiten – da müsste es doch ein Leichtes sein ihre absurde Vermutung zu bestätigen …

Dass man in den Sternen auch irgendwie erkennen können soll,

daß an Bord eine Schülergruppe aus NRW war

, das behauptet aber nur Blue’s Astrologie Café. Ob das die Eltern der Schüler irgendwie tröstet?

Aber klar, nachher ist man sowieso klüger! Und irgendwelche astrologischen Konstellationen denen man das Geschehene in die Schuhe schieben kann finden sich definitiv immer. Wäre ich ein Hinterbliebener einer solchen Katastrophe würde ich mir diese Art von Leichenfledderei verbitten!