Astrologie und Bundestagswahl: Wen wählen die Sterne?

21 09 2013

Gar nicht, muss man sagen, denn „die Sterne“ sind bekanntlich nicht wahlberechtigt. Aber manche Astrologen schauen eben gerne einmal in ihre bunten Horoskopbildchen und versuchen  Aussagen über die Zukunft zu treffen. Bundestagswahlen sind da ein dankbares Prognoseziel, weil es in der Regel nicht allzu viele mögliche Ergebnisse gibt, wenn man eher allgemein die zukünftige Kanzlerschaft oder die Regierungskoalition im Voraus prognostiziert. Und wenn’s dann gestimmt hat, dann kann man brav die Astrologie an sich und die eigene Deutungskunst im Besonderen loben. Wenn nicht findet man in der Standardausrede „die Sterne zwingen nicht …“ oder im Eingeständnis der eigenen, unzureichenden Deutung (etwa so: „… hatte ich den fördernden / negativen Einfluß des Planeten Bethselamin doch etwas unterschätzt, und die eindeutige Wirkung des kommenden Transits von Golgafrincham über die Radixsonne in gradgenauer Opposition zu Oglarun übersehen … „) eine vom gläubigen Publikum gerne angenommene Ausrede. Aber nun los, die vermeintlichen Prognosen wollen protokolliert werden …

Ohne Namen im Impressum schrieb eine Astrologin am 11. Januar 2013 hier über das Wahljahr in Deutschland. Eine echte Prognose ist das allerdings nicht, denn die Angabe eines astrologischen „Siegers“ findet der Leser nicht. Und auch das zwei Tage zuvor gepostete Steinbrück-Horoskop hat außer vielen Allgemeinplätzen nichts zu bieten. OK, Steinbrück soll wohl nicht Kanzler werden, aber das ist auch wieder in einen wunderschönen Konjunktiv mit ganz breiter Hintertür verpackt:

Transit-Jupiter steht in Opposition zu Sonne/Mars/Merkur. Große Worte werden vor der Wahl immer gemacht. Transit-Uranus bildet ein Quadrat zu Merkur. Der Kopf ist voller Ideen, Reform- und Verbesserungsvorschlägen.  Transit-Mars geht über Radix-Saturn und Pluto. Das feuert noch einmal den Macht- und Führungsanspruch an. Die Angelegenehit könnte allerdings verbissen und frustrierend werden, wenn es für Steinbrück nicht rund läuft.

Tja, aber wie wird es denn nun laufen? Sagen die Sterne denn gar nichts?

[…} die Kanzlerin steht in der Gunst der Öffentlichkeit weit vorn. Sie hat den Ruf,  eine souveräne Führungspersönlichkeit zu sein. Viele Wähler halten sie in Umfragen für eine kompetente und mächtige Politikerin. Dennoch ist die Mehrheit der Wähler mit der gegenwärtigen Regierung unzufrieden und wünscht sich insgeheim – Neptun steht im 12. Haus und bildet ein Sextil zum MC –  wenn es nur irgendwie ginge,  eine andere Konstellation. Schwarz-gelb würden die meisten am liebsten abwählen. Der Sonne-Uranus-Aspekt könnte also für Überraschungen im Polit-Theater gut sein.

Aha! „Überraschungen im Polittheater“! Aber welche? Sagen das die Sterne denn nicht? Wenn sie das nicht können, dann lohnt ein Blick doch gar nicht …

Im Blog „starshoch2“ von Kirsten und Manfred Gregor war bereits am 23.Januar 2011 etwas von einer Merkeldämmerung zu lesen. Damals deuteten die Sterne laut den Autoren auf Folgendes hin:

Wenn wir uns daran erinnern, dass Uranus auch Revolutionen beschreiben kann, dann muss man astrologisch festhalten, dass unsere Bundeskanzlerin ihre Kernaufgabe bisher verfehlt hat. Und genau dies ist der Schwachpunkt für den kommenden Wahltermin 2013. Selbst wenn Angela Merkel nach den Umfragetiefs jetzt wieder an Popularität zulegen kann, gerät sie dennoch 2013 unter massiven saturnalen Druck. Eine ähnliche Konstellation ließ 2005 Gerhard Schröder scheitern. Hinzu kommt – der nicht genutzte – Uranus ins Spiel, der urplötzlich die politische Landschaft in Deutschland verändern und die Machtfestung Angela Merkel erschüttern kann. Ich jedenfalls würde nicht auf eine Wiederwahl wetten.

Soll das heißen, dass Merkel nicht wieder gewählt wird? Irgendwie klingt das so.

Aus dem „Feenstadl“ der Astrologin Karin Mayer habe ich mal ihre Prognose kopiert:

fee01Nun ja, die FDP unter 5%, das ist immerhin eine Prognose, die man prüfen kann, aber insgesamt scheinen die Sterne bei den Umfrageergebnissen der letzten Wochen gespickt zu haben. Ob sie jetzt Schwarz/Rot oder Schwarz/Grün aus den Sternen gelesen hat wird nicht so ganz klar.

Auch in diesem Blog gibt es einen astrologischen Artikel zur Bundestagswahl. Auch hier gibt es mal wieder kein Impressum, aber der erstaunlich kurze Text enthält sogar ein paar Aussagen:

Fazit: Die CDU wird stärkste Partei, muss sich allerdings einen neuen Koalitionspartner suchen.

Nun gut, sonst noch was? Aber ja:

Merkur in der Waage bildet ein Trigon zum Wassermann-Aszendent, damit werden auch neuartige Elemente begünstigt, d.h. ich sehe hier sehr gute Chancen für die AfD in den Bundestag gewählt zu werden.

Gute Chancen? Die Sterne raunen mal wieder sehr undeutlich, aber für den/die Autor/in gilt noch der Satz „Wie gesagt, ein Experiment.„, so dass man natürlich gar nicht falsch liegen kann (siehe oben).

Auch in diesem Text wird die Bundestagswahl erwähnt …

Dies ist auch im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl in Deutschland interessant. Im Neumond-Horoskop für die Zeit vom 5.9. bis 5.10. steht Merkur am MC und hebt u.a. die Bereiche Kommunikation, Vermittlung, Information und Wissen hervor. Hierdurch bekommen z. B. Bildungseinrichtungen, das Internet und vor allem die Medien eine besondere Bedeutung.

… aber inhaltlich ist das ja doch sehr armselig. Das gilt auch für den Text hier, aber das ist kein Wunder, denn es ist genau der selbe Quatsch (hier auch). Immerhin wird die Autorin erwähnt: Mona Riegger!

Eine wenig tiefschürfende Erkenntnis zur Bundestagswahl findet sich auch in diesem Beitrag:

Hinsichtlich der bevorstehenden Bundestagswahl in Deutschland dürfte sich das Streben nach Machterhalt oder Machtwechsel in Form sehr großzügiger Versprechungen zeigen — bekanntlich ist Jupiter beim Verkünden solcher Versprechen aber freigiebiger als bei deren Einhaltung.

Es werden also vor der Wahl Versprechungen gemacht – ob man dafür einen Blick in die Sterne gebraucht hätte?

Warum dieser Text mit „Bundestagswahl“ getaggt ist erschließt sich mir nicht, den das Thema kommt dort überhaupt nur in folgendem Satz vor:

Stress, Anspannung wird von Ende August an spürbarer sein, besonders in dieser Vorzeit der Deutschen Bundestagswahl am 22. September 2013. Ein überaus kritischer Monat für eine Wahl.

Und was bedeutet das jetzt? Egal, immerhin hat der Mann noch lustige physikalische Vergleiche im Text, die ich Niemanden vorenthalten möchte:

Die Gravitation auf dem Saturn ist in etwa 91 mal höher als auf der Erde.

Das bedeutet, an der Oberfläche des Saturns beträgt die Gravitationsbeschleunigung 9,0 m/s2, oder etwa 91,8% des Wertes auf der Erdoberfläche.

Ein Objekt, das 1 kg auf Saturn wiegt, würde 91,80 kg auf der Erde wiegen. Übertragen wir dieses Gewicht auf unseren blauen Planeten z.B auf Fußballschuhe, würde sich hier sicherlich kein Fußballer der Welt mehr vom Fleck bewegen können.

Nun ja, das ist natürlich vollkomener Quatsch. Ein wenig googlen bei der ESA hätte genügt um heraus zu finden, dass z.B. das Gewicht auf Saturn nur 1,13 mal so hoch wäre wie auf der Erde …

In diesem Text auf dem Blog zur Uranischen Astrologie (nach Ruth Brummund) wird ein Horoskop „auf den Wahltag am 22.9.2013 um 19 Uhr in Berlin“ gedeutet. Warum gerade dieser Zeitpunkt gewählt wird bleibt im Dunkeln, aber es gibt immerhin eine Art Prognose:

Die Gegenüberstellung zeigt, dass die kosmischen Tendenzen auf die Fortsetzung dieser Regierung bauen.

Aha, die kosmischen Tendenzen bauen also auf irgend etwas – wissen die eigentlich überhaupt davon?

In diesem wirren, von allerlei – auch bräunlich schimmernden – Verschwörungsgeblubber triefenden Artikel steht auch etwas zur Bundestagswahl:

Zur Bundestagswahl möchte ich nicht viel sagen. Es ist damit zu rechnen, daß traditionell gewählt wird (Stiermond am 22.), und daß das Ergebnis für das Volk frustrierend sein dürfte (Mond Opp. Saturn zulaufend). Innerhalb dieses Systems wird wahrscheinlich keine Partei echte Veränderungen durchbringen (auch nicht die AfD), das sollte klar sein. Außerdem ist das Wahlrecht immer noch ungültig, da hilft es auch nicht, wenn die Regierung mehr Stühle in den Bundestag stellt. Nach reiflicher Überlegung habe ich entschieden, das erste Mal in meinem Leben den Wahlzettel durchzustreichen, und oben drüber „ungültiges Wahlgesetz“ zu schreiben. Ich warte darauf, daß das Volk aufsteht – aber das wird wohl erst nächstes Jahr geschehen. Trotz allem, laßt euch die Freude nicht nehmen, denn sie ist der wahre Grund, hier zu sein!

Hier sieht es also für die AfD schlecht aus  – aber was das mit dem ungültigen Wahlrecht soll erschließt sich wohl nur Hardcore-Verschwörungstheoretikern.

Der Astrologe Werner Held darf unter dem Titel Astropsychologie im Internetradio “Kosmos & Psyche” fast 100 Minuten lang zur Bundestagswahl faseln. Der Anfang ist Slapstick pur („ich hör‘ nix“ – aber der Hörer hört), und danach gibt es wirres Astrogeblubber über vergangene Wahlperioden. Erst nach etwa 53 Minuten gibt es eine Aussage zur aktuellen Bundestagswahl (Transskript):

„… die neuen Bundesländer sind ziemlich stark durch das Wiederverinigungshoroskop vom 3.11.1990 bestimmt und da hätte er [Steinbrück] das ganz gut beerben können. Das hätte ich als Chance gesehen -äh – ergriffen; wir werden sehen, ob die Linken – sozusagen – eine wichtige Rolle spielen, das Horoskop der Linken sieht nämlich ziemlich gut aus für die Wahl, während das Horoskop von Peer Steinbrück für die Wahl wohl nicht ganz so optimal aussieht.“

Nach ungefähr einer Stunde folgt die – überraschende – Prognose, dass Merkel wieder Kanzlerin werden wird. danach wird wild weiter geschwurbelt, denn Held lässt auch unpolitische Profanitäten nicht aus (Transskript):

„… Jupiter ist immer das, wo einem der Kosmos sich zuneigt, wo einen eigentlich alle mögen. Man sieht immer wieder, wenn man zum Beispiel Eurovisionssendungen anschaut, und dann die Länder wo dann die Jupiterlinien sind, dann sieht man ganz genau welches Lied dann auch gewinnt, welches Lied dann von allen gemocht wird, die Jupiterlinien sind dann tatschlich immer die Gewinnereinflüsse …“

OK, Herr Held wird hiermit aufgefordert die nächsten zehn Gewinner des Eurovision Song Contest vorherzusagen – die Jupiterlinie wird sein Astrologieprogramm wohl doch locker liefern können. Nachdem Merkels weitere Kanzlerschaft wortreich – und vollkommen sinnfrei – besprochen wird wendet sich Held der FDP zu. Auch hier weiß er nicht so genau was die Sterne denn jetzt aussagen wollen (Transskript):

„… auf jeden Fall ist es so – die FDP hatte die Uranus-Pluto-Quadratur auf dem Jupiter drauf gehabt und da hat’s dann tatsächlich auch deren Chancen verdunkelt. Da sind sie der Sündenbock geworden. Da haben sie ganz schlechte – da waren sie kurz vor der Auflösung. Das heißt, das könnte vielleicht sein, dass der Jupiter entweder MC-Herrscher ist, also um 12:30 Uhr eben, oder eben vielleicht Aszendentenherrscher ist, weil es so doch deutlich mit der karrieristischen Thematik zu tun hat und der allgemeinen Anerkennung, die die FDP immer hat. Es ist ja die Partei der Industrie und der Wirtschaft und so. Jetzt ist es so, dass Pluto da jetzt in der Halbsumme steht zwischen Mars und Uranus, Mars und Jupiter – das ist wie gesagt eine Facette wo die Krise tatsächlich noch Wirkung haben kann oder tatsächlich noch wieder ein Stückchen Macht verleiht. Leider kann man es nicht 100%ig sagen, wie sich die Planeten zeigen, ich denke, es könnte sein, dass die Krise ein Stückchen vorbei ist und die reinkommen …“

Na was denn jetzt? Krise oder Macht? Nun ja, Held hofft darauf, dass die FDP jetzt eine Pause kriegt, aber können ihm das die Sterne nicht sagen???? Weiter sieht Held gute Chancen für die Piraten und ist sich sicher, dass die Linke zulegen wird. Für die AfD sieht er – wegen Jupiter – kaum Chancen auf den Einzug ins Parlament. Danach überascht er noch mit der „Erkenntnis“, dass Merkels Horoskop besser zur SPD als zur CDU passt und dass Merkel nach außen hin „SPD-Politik“ betreibt aber dann doch „knallharte“ CDU-Politik betreibt.

In meiner Lieblings-Astrologie-Zeitung gibt es jetzt auch eine ausführliche – aber wenig mutige und zum Teil widersprüchliche – Wahlprognose. Dort ist zu den einzelnen Parteien folgendes zu lesen:

Die CDU erzielt zwar ein passables Ergebnis, liegt aber deutlich unterhalb des eigenen Erwartungshorizonts. Natürlich darf sich Angela Merkel über das beste Ergebnis aller Parteien freuen, aber mit wem sie regieren kann, wird und muss, bleibt vorerst offen.

Die FDP wird nicht mehr Teil einer zukünftigen Schwarz-Gelben Regierung sein. Da andere Optionen kaum zur Verfügung stehen (mangels Willigen), ist sie also raus aus dem politischen Tagesgeschäft. Sie schafft den Einzug in den Bundestag, spielt da aber nur noch eine Nebenrolle. Und damit ist auch klar – Schwarz-Gelb ist abgewählt, eine Neuauflage findet nicht statt.

Die SPD erzielt ein respektables Ergebnis gemessen am letzten Wahl-Fiasko, aber einen Kanzler Steinbrück wird es nicht geben, somit im Umkehrschluss also auch keine Neuauflage von Rot-Grün.

Kurz und gut: die Stimmungslage bei den Grünen dürfte gemischt sein, alles nicht ganz so schlimm, wie befürchtet, aber leider auch das eigentliche Wahlziel verfehlt, denn Rot-Grün hat definitiv keine eigene Mehrheit, das große Wunder bleibt aus.

Die Linke schneidet überraschend gut ab, ist höchstwahrscheinlich tatsächlich das Zünglein an der Waage, das eine Neuauflage von Schwarz-Gelb verhindert.

Was ist ein „passables Ergebnis“ für die CDU? Wieso soll die FDP nicht mehr Teil einer zukünftigen Schwarz-Gelben Regierung sein, wenn Schwarz-Gelb doch auf die FDP hin deutet? Was ist ein „respektables Ergebnis“ für die SPD? Und wieviel % sind ein „überraschend gutes“ Ergebnis der Linken?

Fazit:

Zumindest die hier zitierten Astrologen und Astrologinnen verharren in – durch die Demoskopie bekannten – Allgemeinplätzen und trauen sich kaum richtig aussagefähige Prognosen für die Bundestagswahl zu stellen. Halbwegs prüfbare Aussagen werden mit dem Konjunktiv abgeschwächt – oder mit fehlenden bzw. unklaren Daten. Aber natürlich werden sich alle (da bin ich sicher) am Sonntag Abend für ihre richtige Prognose feiern lassen (wollen). Als Skeptiker bleibt da nur einfaches Abwarten – und natürlich der eigene Gang zur Wahlurne.


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2 responses

21 09 2013
Bernd
21 09 2013
Das Letzte zum Wahltag @ gwup | die skeptiker

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