Die vhs Mainz und ihr Leitbild: Epic Fail! (Teil 2)

25 07 2013

Den zweiten Teil meines Streifzugs durch das Programm der Mainzer Volkshochschule möchte ich da weiter machen, wo der erste Teil endet: Im Bereich (“Mensch und Gesellschaft” – “Neue Wege (Psychologie, Kommunikation, Astrologie, Esoterik)” -) “Psychologie”. Im Buch „Die Psycho-Szene“ von Colin Goldner wird eine große Zahl an therapeutischen Angeboten aus dem esoterischen Psycho-Markt kritisch beleuchtet, und bei einigen Kursbeschreibungen aus dem Programm der vhs Mainz findet man Schlagworte, die sich auch in diesem Buch wieder finden. So versteckt sich hinter dem Kurs „Verstrickung und Bindung lösen, gesunde Autonomie fördern!„. mit der „Aufstellungsarbeit mit dem Anliegen nach Prof. Dr. Ruppert“ eine Variante von Bert Hellingers Familienaufstellungen, auf die Prof. Dr. Ruppert (erwähnt bei Goldner auf Seite 276) in seinen Vorträgen auch immer wieder verweist (Zitat Goldner: „… ein von Fachtherapeuten heftig kritisiertes, äußerst autoritäres Gruppenverfahren„; Seite 271). Allerdings ist bei den meisten Kursen nicht so ganz klar, was dort eigentlich angeboten wird. Zum Beispiel bei diesem Kurs:

Mein schlimmster Feind sind nicht etwa die anderen, sondern bin ich selbst. Mit niemandem gehe ich so gnadenlos um wie mit mir selbst. Verurteile mich scharf, kritisiere mich für Kleinigkeiten, verlange zu viel von mir, mache mir so das Leben immer wieder selbst schwer. Wie kann ich das verändern? Wo diese Art, mit mir umzugehen, doch so vertraut und gleichzeitig schmerzhaft ist. In diesem Kurs erfahren wir, wie durch liebevolles Wahrnehmen und Sich-selbst-Annehmen Selbstliebe erwächst. In einem sicheren Rahmen kann das da sein, was uns bisher davon abgehalten hat, uns selbst zu lieben. Einen neuen Umgang mit mir, geprägt von Freundlichkeit, Güte und Sanftheit zu mir selbst, gilt es neu zu erlernen. Die Methoden des Focusing, der Achtsamkeitsmeditation, Gespräche und Übungen unterstützen uns dabei.

Ich bin zwar kein Psychologe, aber unter den 25 Kursen in diesem Themenkreis finden sich gleich mehrere, die meines Erachtens zumindest fragwürdig sind, wenn man hier wirklich annimmt es ginge um Psychologie. Ist es wirklich Aufgabe einer Volkshochschule für einzelne, möglicherweise obskure, Psychotherapien zu werben? Scilogs-Autor Michael Kahn hatte in seinem Artikel Hokuspokus in der Wissenschaftsstadt zurecht auf die Werbewirkung durch vhs-Kurse hingewiesen:

Wer ohnehin schon mit Hokuspokus von der Gutgläubigkeit und mangelnden naturwissenschaftlichen Allgemeinbildung der Bevölkerung profitiert, sollte nicht auch noch im Rahmen einer öffentlichen, steuerbezuschussten Einrichtung für sein Geschäftsmodell werben dürfen.

Und manche Referenten werben recht offensiv mit ihren Kursen an der Volkshochschule. So wird zum Beispiel hier beim beruflichen Hintergrund „VHS-Kursleiterin seit 15 Jahren“ an erster Stelle genannt – und unter den Weiterbildungen findet sich ein Gemischtwarenladen aus der esoterischen Psycho-Ecke:  „Ganzheitliche Körpertherapie, Schossraummassage, Klangheilung, Meditation, Begegnung mit dem inneren Kind, Ausdrucksspielen, Gestaltarbeit, Telefonseelsorge, Kuscheltrainerin, Satsang bei verschiedenen Lehrern u.a. Samarpan“.  Mich würde ja interessieren, was eigentlich eine „Kuscheltrainerin“ so macht, und bei der „Schossraummassage“ scheint es laut Beschreibung um eine Dienstleistung zu gehen, die frau eher in anderen Etablissements erwarten würde.

Jetzt möchte ich mich dem Bereich zuwenden, der auch bei Scilogs-Autor Michael Kahn im Fokus stand, dem Thema „Gesundheit“. Immerhin gibt es in Mainz keine offenen Angebote zur Homöopathie, dafür aber welche zu Bachblüten und Schüssler-Salzen. Auch hier werden völlig unkritisch die Werbeaussagen des jeweiligen Unsinns in die Kursbeschreibung übernommen – inclusive lächerlicher „antlitzdiagnostische Hinweise„. Hier täte Aufklärung wirklich Not!

Über die Schüßler-Salze schrieb ein wortgewaltiger Blogger folgende schöne Sätze:

Einem unbegabten Arzt des 19. Jahrhunderts war nicht nur die damaligen Medizin zu kompliziert, sondern auch ihr Gegenentwurf, die Homöopathie nach Hahnemann.

Um anstrengender diagnostischer und therapeutischer Tätigkeit zu entgehen, hat er dann ein Heilverfahren mit lediglich 12 Mineralstoffen erfunden, deren angeblicher Mangel angeblich für alle Krankheitszustände verantwortlich war, und deren Zufuhr in kleinsten Dosierungen angeblich alle Krankheiten beseitigen konnte.

… und die einfache und brutale Wahrheit ist eben, dass Schüssler-Salze nun mal schlicht und einfach esoterischer Unsinn sind! Und wenn eine vhs diese propagiert und sich gleichzeitig „Aufklärung“ auf die Fahnen schreibt, dann konterkariert sie ihr Leitbild und macht sich zum Gespött wissenschaftlich denkender Menschen.

Aber obwohl es keinen Homöopathie-Kurs an der vhs Mainz gibt, die dazugehörigen verqueren Gedankengänge gibt es auch hier. Eine „Heilpflanzenwanderung“ im Gonsbachtal kann ich mir durchaus spannend vorstellen. Gibt es in Mainz (Universitätsstadt) keinen Biologen, Pharmakologen oder Mediziner (… darf gerne auch eine Frau sein), die bei einer solchen Wanderung auf bestimmte Pflanzen und ihre pharmakologischen Wirkung hinweisen kann? Muss diese Wanderung denn unbedingt von einer Heilpraktikerin geleitet werden? In der Beschreibung des Kurses scheint es dann auch gar nicht um die Pflanzen am Wegesrand zu gehen, sondern um …

Je mehr wir in der Tretmühle des Alltags stecken, desto nötiger brauchen wir die Natur, um wieder in die Balance zu kommen und uns durch sie zu entgiften, um den Körper zu reinigen, damit Geist und Seele frei wirken können.

Entgiften???? Hallo? Und warum weitere Kurse zu diesem Unsinn (wieder ein Heilpraktiker, der auf seiner Seite ganz viele Wunder verspricht)? Unser Körper macht das täglich, automatisch (nennt sich Ausscheidung!), alles andere ist Mumpitz! Warum darf eine  staatlich alimentierte Stelle (vhs) solche Lehren propagieren? Können die Verantwortlichen nicht einfachmal an der Uni einen Mediziner fragen, damit der diesen Unsinn aufklärt? Wäre es nicht Aufgabe einer vhs im Sinne der Aufklärung den Menschen mitzuteilen, dass dieser Ganze „Schlacken ausleiten“-Kram hanebüchener Blödsinn ist? (Übrigens: die Leiterin des Pflanzenkurses wirbt auf ihrer Webseite mit enthusiastischen, positiven Rückmeldungen ihrer Patienten – meines Wissens ist das in diesem Umfeld sogar gesetzlich verboten …).

Ach, es ist einfach traurig! Volkshochschulen sind eine wunderbare Sache! Das Ausland beneidet uns darum! Aber statt tatsächlich die Bevölkerung aufzuklären liefert die vhs Mainz lieber esoterische Fantastereien. Unwissenschaftlicher Nonsens wird von der Mainzer vhs mit Kursen geadelt, statt gemäß dem eigenen Leitbild echte Aufklärung zu liefern. Auf meine vor Wochen zu diesem Thema geschickte Mail habe ich bis heute keine Antwort bekommen – es scheint leichter zu sein, sein Fähnchen in den esoterischen Wind zu stellen und sich zum Teil der esoterischen Volksverblödung zu machen als dem eigenen Leitbild (nochmal: Aufklärung!!!) zu folgen!


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3 responses

27 07 2013
Philipp

Ein Trauerspiel mit den Volkshochschulen. Schön, dass du die Spinnereien der VHS-Verantwortlichen in den letzten beiden Artikeln vorgeführt hast.

Aber wieso hast du »Telefonseelsorge« und »Meditation« in der Wahn-Liste drin?

Telefonseelsorge (nicht zu verwechseln mit Astro-Call-In-Unsinn) ist ja tatsächlich eine Aufgabe für Psychologen. Menschen in Notsituationen, beispielsweise Personen mit Selbstmordgedanken oder auch mit weniger schwerwiegenden Probleme, können bei den Telefonseelsorgediensten [1] anrufen und werden dort (kostenlos) psychologisch betreut.

Und Meditation klingt vielleicht erstmal esoterisch, muss es aber nicht unbedingt sein. Die Psychologie beschäftigt sich auch mit Entspannungsverfahren. Da gibt es einmal Verfahren, die eher wissenschaftlich konzipiert sind (z. B. Biofeedback oder Progressive Muskelrelaxation), aber eben auch Methoden, die erstmal suspekt klingen, wie etwa Hypnose, Meditation und Autogenes Training.
Die letztgenanten Methoden mögen zwar ihren Usprung außerhalb der wissenschaftlichen Psychologie/Medizin haben, werden aber durchaus von seriösen Psychologen beforscht und sind auch erwiesenermaßen wirksam.

[1] http://www.telefonseelsorge.de

P.S.:
Vielleicht ist die Schoßraummassage ja auch ein Entspannungsverfahren 😉

27 07 2013
wahrsagercheck

@Philipp
Danke für die Hnweise. Ich wollte mit der Auflistung (die ich ja von der Seite einer Anbieterin kopiert habe) nichts gegen die einzelnen Verfahren sagen, mir ging es nur darum zu zeigen, dass hier ein ganzes Sammelsurium von zumindest zweifelhafter „Qualität“ als Qualifikation dargestellt wird. In welcher Form die Anbieterin in Meditation und Telefonseelsorge ausgebildet ist, das verschweigt sie auf ihrer Seite völlig. Danke für den Hinweis, dass beides auch von seriösen Psychologen angewendet wird. Ob hier in diesem Fall eine entsprechend qualifizierende Ausbildung vorliegt kann man zumindest bezweifeln, da die Dame keinerlei nähere Angaben macht und diese – möglicherweise seriösen – Qualifikationen gleichberechtigt neben der Kuscheltrainerin und der Schossraummassage stehen. Und ja, Letztere kann man mit Sicherheit als enstspannend ansehen …

1 09 2014
Ein Offener Brief zum Kurs „Pendelpraxis“ an der Mainzer Volkshochschule @ gwup | die skeptiker

[…] vhs Mainz und ihr Leitbild: Epic Fail! (Teil 2), Wahrsagerchecks-Blog am 25. Juli […]

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