Palmblätter aus Mönchengladbach (mit aktuellem Update)

29 03 2009

Vor einiger Zeit hatte ich über die kopierten Terrorprognosen aus den Palmblättern des Herrn Ritter geschrieben, heute muss ich – nach dem Lesen des taz-Artikels „Der übersinnliche DAX“ und dem Folgen des Links zu den Anbietern von Esoterikmessen – mich doch noch einmal zum Thema Palmblätter äußern. Denn auch wenn es Herrn Ritter, der ja Reisen zu den Palmblattbibliotheken in Indien feil bietet, nicht unbedingt gefallen dürfte, es gibt auch so etwas wie eine deutsche Palmblattbibliothek: bei Hildegard Matheika in Mönchengladbach. Auf ihren Namen kam ich durch das Verzeichnis der „Esoterikexperten“ auf der Webseite der Esoterikmesse-Veranstalter, denn dort firmiert sie als einzige Palmblattexpertin. Und ihre (Selbst-)Beschreibung klingt schon toll:


8000 Jahre? Nun ja, die anderen Palmblattjünger übertreiben da weniger und nennen 5000 Jahre, aber auch das stimmt ja nicht so ganz, denn sie schreibt  ja selbst, wie diese Blätter in ihren Besitz gelangten:

Für Frau Matheika sind also Palmblätter aus dem 16. und 17. Jahrhundert 8000 Jahre alt … … und selbstverständlich erklärt sie nicht, warum die Vergangenheit und Zukunft ihrer Kunden gerade in diesen Blättern stehen soll. Wahrscheinlich hat sie dafür keine Zeit, denn Frau Matheika ist nämlich 200 Tage im Jahr unterwegs und bietet ihre Arbeit an [der im Folgenden zitierte Text ist im Internet nicht mehr verfügbar, listet aber nur einen Teil der Angebote dieser Frau von ihrer Webseite auf]

„zum Teil Kartenlegen, Lesen aus der Palmblattbibliothek, Kontakt zum Jenseits, biete Pilgerreisen an nach Lourdes, dann Deeksha-Reisen nach Bali – einfach um den Menschen zu helfen …“

Boah! Diese Frau kann ja fast alles! Und auf ihrer Webseite kommt noch viel mehr (Die Screenshots der im Internet veröffentlichten Webseite von Frau Matheika habe ich am 23.3.2012 erneut erstellt. Außerdem wurden die Seiten aus Dokumentationsgründen bei WebCite archiviert) – zum Beispiel ist sie auch Meisterin der weißen Magie und kann alles Böse entfernen:

Das kennt man ja! Wenn’s schief läuft im Leben haben andere Schuld – und Matheika kann natürlich helfen:

Matheika, die Expertin für die Abwehr alles Bösen!

Wissenschaftlich erforscht? Aha! Und wie war das Ergebnis? Hat sie den Randi-Preis gewonnen? Natürlich nicht, aber wenn – wie in den Zeiten der Finanzkrise ja durchaus üblich – die Gier nach Geld als „negativ“ zu bewerten ist, dann kann Matheika sicher helfen … … denn ihre Hände haben die Kraft zu nehmen – bevorzugt Bares aus dem Portemonaie der Kunden!

Klar,  Matheika opfert sich und nimmt das negativ beladene Geld an sich. Verlogene, zynische Abzocke ist das – aber die Kunden auf den Esoterikmessen sind das ja gewohnt und haben es wohl nicht besser verdient. Wer bei der hanebüchenen Verbindung von Lourdes, weißer Magie und Palmblattbibliotheken nicht irgendwie stutzig wird, dem ist wohl nicht mehr zu helfen – hätte Matheika noch gechannelte Botschaften des Osterhasen in ihrem Repertoire, es würde kaum auffallen.

(Die Screenshots der im Internet veröffentlichten Webseite von Frau Matheika habe ich am 23.3.2012 erneut erstellt. Außerdem wurden die Seiten aus Dokumentationsgründen bei WebCite archiviert und können bei Bedarf jederzeit wieder abgerufen werden.)





Tiefkühlpizza, Foren-Zensur und viele schlechte Screenshots

8 04 2012

Nehmen wir ‚mal an, ich kaufe mir zum ersten Mal die – fleißig beworbene – Tiefkühlpizza XY, bereite sie anweisungsgemäß zu und … … werde dann bitter enttäuscht. Als Mitglied der Pizzafreunde-Community* würde ich sofort meine Erfahrungen mit dieser Pizza mit den anderen Pizzafreunden teilen wollen, würde nachschauen, ob es schon einen Thread zur Tiefkühlpizza XY gibt bzw. einen neuen eröffnen und dann meine Erfahrungen posten:

Was für eine Enttäuschung! Die neue Pizza XY aus der Serie „Gusto Riscante“ sieht beim Auspacken noch sehr gut aus, aber das ist auch schon alles. Natürlich sieht der Belag auf dem Titelbild besser aus, als in der Realität – aber das gilt ja für so ziemlich alle Tiefkühlpizzas. Das Backergebnis lieferte schon ‚mal einen Teig, der mit einem Pizzaschneider gar nicht zu zerteilen war. Die Konsistenz erinnerte an einen viel zu dick geratenen Pappkarton – und der Geschmack leider auch. Die Tomatensosse war rot, aber das war auch das Einzige was bei dieser faden und öden Pampe an Tomaten erinnerte. Die Salami hatte die Konsistenz eines durchgekauten Kaugummis und der – viel zu spärliche – Käse roch (und schmeckte) wie meine Füße nach halbstündigen Joggen.

Vielleicht ergäbe sich daraus eine Diskussion mit anderen in der Pizzafreundecommnity – mit Leuten, die das Bouquet der Tomatensosse preisen und/oder denen die leichte Pfeffernote der Salami ganz besonders mundete. Der ganz normale Alltag in Internetforen also – und wenn jetzt der Forenbetreiber auf Veranlassung des Herstellers der Tiefkühlpizza meinen Beitrag löschen würde, dann würde dies bei den anderen Foristis mit ziemlicher Sicherheit ein kleines Shitstörmchen auslösen.

Würde ich allerdings in selbigem Forum behaupten, dass der Hersteller der Tiefkühlpizza XY es mit der Hygiene nicht so genau nimmt und man deshalb insbesondere bei der Sorte XY doch vorab prüfen sollte ob nicht unter der ein oder anderen Salamischeibe eine tiefgefrorene Küchenschabe oder ein Mäuseschwänzchen den Teig zieren, dann wäre die Löschung meines Beitrags nicht nur höchst wahrscheinlich, sondern sogar gerechtfertigt.

Halber Themawechsel: In der Lesercommunity  „bfriends“ der Zeitschrift „Brigitte“ wird des Öfteren über esoterische Angebote diskutiert, und fleißig werden von den Posterinnen die Erfahrungen mit AstrologINNen, KartenlegerINNEn und anderen Anbietern solcher Dienstleistungen – selbstverständlich mit Namensnennung – ausgetauscht. Das scheint normalerweise auch bei negativen Meinungen kein Problem zu sein, wie man in den folgenden Zitaten lesen kann:

Marlies Döscher hat mal einer Freundin von mir geraten, sie solle schnell mit ihrem OdB poppen, um zu sehen, ob sich eine Beziehung mit ihm wirklich lohnt. Sehr seriös . So weit ich weiß, ist auch keine ihrer Voraussagen eingetroffen.

Petra Röntgen – ich weiß, hier wurde sie empfohlen, ich kann das nicht und ich kenne viele ihrer ehemaligen Kundinnen, bei denen genau wie bei mir rein gar nichts eingetroffen ist. Sie ist eine Schönrednerin. Mir hat sie damals was erzählt von einem Haus im Grünen mit meinem Freund und zwei Kindern. Jetzt sind wir getrennt. Und auch den anderen Kundinnen hat sie das Blaue vom Himmel erzählt, dass natürlich nie eingetroffen ist. Sie hat so Spitzenbewertungen, weil die Kunden in ihrer ersten Euphorie nach dem Gespräch sofort 5 Sterne vergeben.

Maria Theresia Grass alias Thekla – hat total viele Spitzenbewertungen, redet aber nur schön und ich kenne viele Kunden von ihr, keine einzige ist heute mit ihrem Herzensmann zusammen

Lediglich allzu dreiste (Eigen-)Werbung scheint hier entfernt zu werden. In diesem Thread sieht es aber ein wenig anders aus. Dort gibt es einen Beitrag von „schnabel“, datiert auf den 29.12.2011, 17:23 Uhr, der heute so aussieht:

Die gleiche zensierte Leere ziert einen weiteren Beitrag von „schnabel“ (17:59 Uhr am gleichen Tag), sowie Beiträge von „aninmi“ (01.03.2012, 11:03 Uhr) und „einmalname“ (03.03.11:45 Uhr). Bei einem weiteren Post von „schnabel“ (30.12.2011, 12:34 Uhr) variiert die Begründung leicht:

Was stand eigentlich in den von der Forenadministration inkriminierten Beiträgen? Waren es eher persönliche Erfahrungsberichte – und damit erlaubt! – oder doch eher wüste Anschuldigungen ohne jeden Beleg? Zufällig hatte ich diese Seiten per Screenshot gesichert, so dass ganz einfach zu dokumentieren ist, was die Administratoren von bfriends.de hier wegzensiert haben.

Interessant ist dabei, dass alle zensierten Beiträge bis Mitte März noch ganz normal im Forum verfügbar waren. Die Forenzensur bei bfriends.de schlug ziemlich genau dann zu, als auch ich eine Mail bekam, in der mir vorgeworfen wurde, dass ich mit diesem uralten Beitrag irgendwie gegen mehrere Gesetze verstoßen haben sollte. Ich habe allerdings nicht mit Löschung des Beitrags reagiert, denn wie mir mehrere Juristen, die ich eher zufällig traf, bestätigten gibt es keinen Grund, seine Meinung nur deswegen vor der Öffentlichkeit zu verbergen, weil diese der Anbieterin/dem Anbieter nicht gefällt.

Bei bfriends.de scheint man da anderer Meinung zu sein – bzw. man zensiert lieber grundlos die Beiträge seiner Forumsteilnehmerinnen, statt die Esoterikanbieterin auf das grundgesetzlich garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung hinzuweisen. Schaut man sich die Originalposts an, dann waren es wirklich rein subjektive Erfahrungsberichte, die sich allerdings kritisch mit diesem „sehr speziellen“ Angebot auseinandersetzten. Hier ein paar Ausschnitte aus dem Post von „schnabel“:

Ist hier irgend eine Schmähkritik oder eine Beleidigung der Anbieterin zu lesen?

Am Ende musste noch der finanziellen Aspekts der Aktion geklärt werden:

Auch hier („einmalname“) wurde lediglich die eigene Erfahrung mit dieser Anbieterin geschildert:

Nur im Post von „aninmi“ finden sich nach der folgenden Passage …

…ein paar Bemerkungen, die man mit einer großen Portion Böswilligkeit als  grenzwertig einstufen könnte (deswegen lasse ich diese Passagen auch weg).

Wie „schnabel“ außerdem berichtete, ist Forenzensur bei dieser Anbieterin nicht unüblich:

Auf die letzte Frage von „schnabel“ kann ich mit ja antworten. Die Frau scheint jedem Forum und jedem Blog, der „etwas Negatives“ (Originalzitat!!!) über sie schreibt eine entsprechende Mail zu schicken. Und offenbar gelingt es ihr tatsächlich die  ein oder andere Forenadministration – zum Beispiel bei bfriends.de – zu beeindrucken. Dass die Forenadministration einer so großen und mächtigen Zeitschrift wie der Brigitte sich von einer Esoterikanbieterin so leicht einschüchtern lässt, das hätte ich nicht gedacht, denn andere Foren sind da offensichtlich weniger (hier wird nur der Name der Anbieterin abgekürzt) oder gar nicht (in diesem Forum gibt’s den Originaltext) einzuschüchtern.

Die Verantwortlichen bei bfriends.de sollten sich entscheiden, ob sie eher auf der Seite ihrer Community stehen (… und deren Recht auf freie Meinungsäußerung verteidigen!!!) oder ob sie lieber die vermeintlichen Rechte von Menschen verteidigen, deren Angebote gemäß BGB § 275 nach deutschen Recht generell nichtig sind („Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.„).

*ich wüsste nicht dass es eine solche Pizzafreundecommunity gibt, die existierende Webseite pizzafreunde.de gehört übrigens einem Lieferdienst, über den ich mangels konkreter Erfahrung keine Aussage tätigen kann.