Frisches Futter für die Leichenfledderer

19 01 2010

Kaum war die Nachricht von einem katastrophalen Erdbeben in Haiti in den Nachrichtensendungen angekommen, schon krochen die astrologischen Leichenfledderer wieder aus ihren Löchern. Es folgte das bekannte zynische Erklärungsritual: Man nehme irgendwelche astrologischen Konstellationen zum Zeitpunkt des Ereignisses (hier war’s das Erdbeben, im letzten Jahr z.B. der Amoklauf von Winnenden), füge ggf. noch weitere Konstellationen hinzu (hier z.B. das „Länderhoroskop von Haiti“; im Fall Winnenden ein ungefähres Geburtshoroskop des jugendlichen Amokläufers) und schon hat man ganz viel Material mit dem man der Öffentlichkeit zeigen kann, dass das Geschehene ja irgendwie doch astrologisch unausweichlich  – und damit prinzipiell vorhersagbar – war. Florian Freistetter hat sich ein paar dieser Texte angeschaut – und wie immer stellt sich dabei eine ganz einfache und banale Frage:

Warum hat keiner der zitierten Astrologen vor der Katastrophe gewarnt?

Die Antwort ist einfach: Weil sie es nicht können!

Wenn sie jetzt im Nachhinein anderes behaupten, dann ist das der zynische Versuch auf dem Leid vieler Menschen ihr übliches Werbesüppchen zu kochen. An dieser besonders ekligen Form der astrologischen Erklärungsdiarrhoe leiden glücklicherweise nicht alle Sterndeuter, manche geben sogar offen zu, dass sie solche Voraussagen gar nicht machen können:

Das Erdbeben habe ich natürlich nicht vorhergesagt, weil es ohnehin sinnlos wäre sich mit derlei Prognosen zu beschäftigen, da man sie weder lokalisieren noch verhindern kann.

Na, immerhin – warum Karl-Heinz Waldenberger dann trotzdem mit irgendwelchen astrologischen Scheinbegründungen herumjongliert muss er selbst wissen. Aber eigentlich braucht er die Astrologie ja gar nicht, denn sein „Unbewußtes“ hat ja schon Ende 2009 auf die Gegend hingewiesen:

Also irgendwie scheint mein Unbewusstes im Vorfeld von Ereignissen zu reagieren, wie sonst wäre ich auf ausgerechnet auf die Karibik und den Ort Cayo Samana gestossen …. seltsam!

Seltsam ist bestenfalls dieser lächerliche Versuch einen Urlaubstipp an einen Kunden (DomRep) vom 31.12.2009 irgendwie mit dem Erdbeben in Verbindung zu bringen. Ich könnte ja jetzt behaupten, dass „mein Unbewußtes“ noch viel näher dran war: Ich hatte mich nämlich gerade mal drei Tage vor dem Erdbeben mit einem Bekannten über dessen Urlaubspläne unterhalten, und der wollte doch tatsächlich an einer Karibikkreuzfahrt (incl. einem Stopp in Haiti!!!!) teilnehmen …


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12 responses

19 01 2010
Adromir

Mir fehlen die (druckbaren) Worte, mit denen ich solche Leute beschreiben möchte..

27 01 2010
sayadin

Pöh, Du bist ja gemein, aber es stimmt. Nun arbeite ich selbst als Wahrsager, aber ich halte mich an das was ich kann, die Liebe. Eigentlich interessiert die Leute nur am Rande welche Katastrophen in der Welt passieren, vor allem wenn das eigene Leben sich zur Katastrophe entwickelt.

Aber trotzdem, zum Erdbeben muss ich meinen Senf dazu geben, auch wenn es eher in eine andere Richtung geht:

Die Anziehungskraft des Mondes wirkt nicht nur auf dem Wasser sondern auch am Land, soviel ich weiss hebt sich der Boden irgendwas um 50 cm oder nen Meter. Das kann man an Land natürlich nicht merken, aber für das Auslösen eines Erdbebens reicht es. Wenn dann noch ne Sonnenfinsternis dazu kommt entwickelt sich ne Spitze die Anziehungskräfte addieren sich und so wie ich es beobachtet habe passieren Erdbeben gern im Umfeld von Sonnenfinsternissen. Dabei muss der Kernschatten nicht unbedingt über das Gebiet gehen. Ich denke das deshalb auch in so vielen Kulturen Sonnenfinsternisse als etwas bedrohliches gesehen werden, weil man schlechte Erfahrungen mit Erdbeben, Springfluten oder Zunamis gemacht haben.

Das haut sicher nicht immer hin, aber oft.

Leichenfledderer, na ja, bei vielen stimmt es. Viele Kollegen von mir reden den selben Schwund wie Pfarrer oder Püschologen. Aber dann sind die ja auch Leichenfledderer.

Holger Rösler

27 01 2010
wahrsagercheck

@sayadin
Ob Erdbeben irgendwie mit dem Mond (und seienr Gravitation) zusammenhängen, das hätte dann aber nichts mit Astrologie zu tun. Ich bin mir ziemlich sicher, dass solche Dinge auch von ernsthaften Forschern untersucht werden, aber da müsstes Du jemanden fragen, der sich damit auskennt.
Bei Amphibol gibt es ein paar Artikel dazu:
http://amphibol.blogspot.com/2010/01/haiti-erdbeben-update-die-angekundigte.html
http://amphibol.blogspot.com/2010/01/haiti-erdbeben-update.html
Vielleicht weiß der etwas Genaueres darüber …

Ansonsten: Klar weiß ich, dass es unter Astrologen und Wahrsagern viele nette und ernsthafte Menschen gibt, die solche Behauptungen niemals aufstellen würden … … mir hat auch schon mal ein Astrololge geschrieben, dass meine jährliche Prognoserückschau eigentlich von den Astrologen selbst gemacht werden müsse, um die schwarzen Schafe zu brandmarken, aber stattdessen gab’s z.B. vom Deutschen Astrologenverband nur ein wenig Rumgenöle (siehe https://wahrsagercheck.wordpress.com/2008/12/17/der-astrologenverband-antwortet/).
Gibt es eigentlich so etwas wie einen „Wahrsagerverband“?

27 01 2010
sayadin

Die Trennung zwischen Wissenschaft und Magie ist eine Folge der Moderne. Früher war das eins. In Indien oder China ist das heute noch so. Ich sehe es so das der Mond die Erde athmen lässt. Für die Erde ist das nix besonderes, so ein Erdbeben. Wir sind, aus dieser Perspektive halt wie Ameisen. Die Ameisen fühlen sich sogar besonders zu den Bruchstellen hingezogen, aber auch die Menschen. An diesen Bruchstellen sind besondere Energien die offensichtlich das Risiko wert sind.
Das sind keine bewussten Entscheidungen, weder von den Ameisen noch von den Menschen.

Es gibt da einen Verband, aber ich interessiere mich wenig für andere Wahrsager. Meine Esotherik hole ich mir eher aus der Wissenschaft. Wenn man sich die Ergebnisse der Quantenmechaniker so anschaut, vor allem wie die die Entstehung von Wirklichkeit erklären, dann hört sich das so ähnlich an wie das was die Mystiker schon immer gesagt haben.

Aber ich kann die Krittik an den Esotherikern vollkommen nachvollziehen.
Jede Hausfrau die mal einen elektrischen Schlag bekommen hat meint sie sei erleuchtet.
Aber ich würde es ihnen auch nicht ausreden. Wenn sie Schaden anrichten dann ist das halb so schlimm. Ich hab mal Theologie studiert und wenn man sich den Schaden ansieht den die monotheistischen Religionen angerichtet haben und anrichten dann kommen die Esotheriker, selbst die Beutelschneider, immer noch ganz gut weg. Man muss ja nicht hingehen.

27 01 2010
wahrsagercheck

@sayadin
Früher gab es keine Wissenschaft – höchstens die Vorläufer davon. Was man sich nicht erklären konnte wurde mystifiziert – bis man es erklären konnte. Wissenschaft bedeutet, dass man etwas schlüssig und nachvollziehbar erklären kann und dass diese Erklärung konsistent mit der Wirklichkeit und dem restlichen Wissen ist (das sich natürlich verändern bzw. noch weiter verbessern kann). In China und Indien gelten die wissenschaftlichen Erklärungen genauso wie hierzulande, dass es möglicherweise vielen Menschen dort an der entsprechenden Bildung fehlt ist eine ganz andere Sache. Ich habe mehrere Jahre lang mit Indern zusammengearbeitet – nicht einer davon hätte irgend eine mystische Erklärung für irgendetwas akzeptiert, das waren aber auch alles sehr gut ausgebildete Wirtschaftswissenschaftler, Ingenieure oder Informatiker – überwiegend aus Bangalore – und ich hatte das Gefühl dass bei den Wirtschaftswissenschaftlern hierzulande viel eher mystisch gedacht wird …

Klar, in der Physik gibt es auch Bereiche, die auf den ersten Blick mehr nach Esoterik klingen als nach Wissenschaft (für mich z.B.: Stringtheorie), aber dort gilt eine einfache Regel: Entweder es wird gezeigt dass es so funktioiert wie beschrieben (im Falle der Stringtheorie scheint das mathematisch plausibel und mit anderen Forschungsergenisse konsistent zu sein, der Abgleich mit der Realität steht aber meines Wissens noch aus) oder diese Theorie wandert in den Papierkorb und ist dann nur noch für Physikhistoriker interessant. Und die Quantenmechanik hat meines Erachtens nichts mit Mystik zu tun – auch wenn sie gerade in der Esoterik als Erklärung für alles Mögliche herhalten muss – Lesetipp: „Warum Gott doch würfelt“ von Marcus Chown … … oder noch besser (und kürzer): http://diewahrheit.at/video/evolution-quanten (2.Hälfte)

Das Bild mit der Hausfrau gefällt mir (und ich erkenne da einige Bekannte aus meinem Umfeld wieder), aber wenn sie Schaden anrichtet, dann muss sie auch dafür geradestehen und damit rechnen dass sie öffentlich eins auf die Mütze kriegt. Was die Hausfrau im trauten Heim schwurbelt ist eh uninteressant. Vor Jahren habe ich mal neben einem Paar gewohnt, dass auf einem vollkommen abgedrehten Esoteriktrip war. Problematisch wurde es erst, als die beiden bei ihren „Erdheilritualen“ in der im Garten zusammengezimmerten „Meditationshütte“ den halben Vorort zum Schließen der Fenster zwangen – weil irgendwann dieser schwere Weihrauchduft mit dem sie ganze Straßenzüge einnebelten einfach nervte … … nach dem 4. oder 5. Mal haben einige Nachbarn mit den beiden geredet, und schon warfen die Erdheilrituale plötzlich unnötig …
Ach ja: Die Religionen sind hier kein Thema – ich habe mich gerne im Blog als Atheist geoutet, aber deshalb muss ich nicht dauernd über die Religionen reden oder schimpfen – das können (und machen) andere besser als ich.

28 01 2010
cimddwc

@sayadin:

Zur Quantenphysik empfehle ich auch mal diesen Beitrag: „Einführung in Quantenphysik, Verschränkung und die Lügen der Esoterik“.

28 01 2010
wahrsagercheck

@cimddwc
Danke für den Link – den hatte ich doch fast schon wieder vergessen … sehr schöne Erklärung!

28 01 2010
sayadin

Na ja, die Archologen haben Steinzeitschädel gefunden die operiert wurden und die Menschen haben die Operation überlebt. Und nicht nur einen. Chirurgen wurden die Steinklingen gezeigt und die waren so scharf das sie heute noch verwendbar wären. Diese Schamanen wussten genau was sie taten.
Im Römischen Reich sind auch komplizierte Knochenbrüche wieder zusammengewachsen. Aber das haben nicht die Vestalinen gemacht sondern Ärzte, da hatte sich das schon geteilt. Erst als die Barbaren, ich meine die Christen das Sagen hatten sind die Knochen krum und schief zusammengewachsen. Wir sind nur ein Teil einer Kette.

Abgesehen davon, irgendwann ist auch unsere Zeit vorbei und ich würde es nicht schön finden wenn die nach uns meinen würden wir wären alle doof.
Wir sind es nicht und die vor uns auch nicht. Aber natürlich gibt es doofe Perioden, das Christentum und der Faschismus war so etwas. Die antike Medizin und Kultur ist dann erst über die Kreuzritter nach Europa gekommen.

Das die damals auch Fehler gemacht haben die uns heute kurios erscheinen wird uns auch passieren. Die nach uns werden auch bei dem einen oder anderen zu recht sagen „das die das gedacht haben ist ja blöd“

Ich möchte noch auf einen hervorragenden Esotheriker und Arzt hinweisen, Nostradamus. Das war ein ausgezeichneter Arzt der grossen Wert auf Hygiene gelegt hat und dessen Medizin viele Menschen gerettet hat. Er war Prophet und Wissenschaftler.
Das eine und das andere sollte zusammengehören.

Aber das Du Atheist bist kann ich nachvollziehen. Ich wäre auch lieber Atheist.

28 01 2010
wahrsagercheck

@sayadin
Nein, die Steinzeitärzte wussten nicht was sie taten, denn sie hatten keine Ahnung davon, wie das Gehirn bzw. der menschliche Körper funktioniert. Nicht weil sie dafür zu doof waren, sondern weil ihnen die Mittel zur Untersuchung fehlten, weil die Erkenntnisse möglicherweise nur mündlich und deswegen nicht vollständig weitergegeben werden konnten usw. usf.. Wenn diese drastischen Eingriffe überlebt wurden, dann hatte der Steinzeitpatient schlicht und einfach Glück.
Gerade die Geschichte der Medizin ist voller Missverständnisse und – für die Patienten oft letaler – Fehleinschätzungen. Viele Patienten haben nicht wegen sondern trotz dieser Eingriffe überlebt (… und wie viele gestorben sind sollte man nicht außer Acht lassen).
Was Nostradamus betrifft: Alleine seine Hygieneanweisungen haben mit SIcherheit vielen das Leben gerettet, das macht aber seine esoterischen Texte nicht besser. Warum soll es eigentlich ein Problem sein, bei der Beurteilung der Taten eines Menschen einen Teil zu loben und einen anderen Teil als Unsinn zu bezeichnen? Newton hat die Physik vorangebracht, soll aber – das schreiben viele seiner Zeitgenossen – ansonsten ein arroganter Stinkstiefel gewesen sein, der außerdem nebenbei völlig schwachsinnige esoterische Forschungen betrieben hat. Macht Letzteres seine physikalischen Erkenntnisse schlechter? Nein! Wertet Ersteres seine esoterischen Forschungen auf? Nein!

28 01 2010
Adromir

Zitat: Er war Prophet und Wissenschaftler.
Das eine und das andere sollte zusammengehören.

Das geht alleine deshalb nicht, weil beides eine völlig andere Art zu denken voraussetzt. Hat man die wissenschaftliche Denkweise erstmal verinnerlicht, dann wird es schwer, ein Prophet zu bleiben. Und ist man erst Prophet, dann wirds schwer mit der Wissenschaft.

28 01 2010
sayadin

Das sehe ich anders.

28 01 2010
sayadin

Menschen, so scheints, lieben Schubladen, der ist Esotheriker, der Wissenschaftler, der ist Jude, der Antisemit, der ist Fussballfan, der ist Hamsterzüchter.

Menschen scheinen diese Abgrenzungen zu brauchen um sich zu identifizieren. Aber ich habe da meine Zweifel. Der Autofahrer regt sich über die Fahradfahrer und Fussgänger auf bis er aus dem Auto steigt. Dann ist der Feind der Autofahrer und der Fahradfahrer, biss er aufs Rad steigt.

„Ich bin, der ich bin“ war die Antwort Gottes an Mose. Du kannst die Schublade gar nicht so gross bauen, oder so klein, das ich hineinpasse. So interpretiere ich den Satz.
Und ich weigere mich ebenfalls in irgendwelche Schubladen zu passen.

Abgesehen davon, bei schwierigen Fragen schlage ich immer vor „lass uns darüber noch mal in 100 Jahren reden“. Ich bin gewiss das wir dann alle die Kompetenz haben für die richtige Antwort.

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