„Astrologie-Irrsinn“ in Nürnberg

29 06 2012

Walter Rotter heißt der Mann, der diesen Irrsinn in Nürnberg, genauer: im Nürnberger Rathaus, auslöste. Was war passiert? Der Mann, den die Zeitung als Guru bezeichnet, wollte wohl schon jahrelang irgendwie die Stadt beraten und hatte „bereits erfolglos versucht, im Sozialreferat und beim Schulbürgermeister Fuß zu fassen.“ Dann gelang ihm der große Coup: Er überzeugte die Leiterin im „Amt für Wirtschaft“ und erhielt darauf hin entsprechende Aufträge dieser Leiterin. Die Mitarbeiter reagierten wohl ein wenig irritiert, als sie bei Personalgesprächen nach genauen Geburtsdaten gefragt wurden und beklagten sich beim Personalreferenten. Ergebnis: Die Leiterin ist ihren Job – und Herr Rotter seinen gut dotierten (2.500 Euro cash für 10 Gespräche mit einem Mitarbeiter) Auftrag los.

So richtig absurd wird die Sache aber dadurch, dass sich Herrr Rotter irgendwie von der Astrologie abzusetzen versucht:

„Ein Astrologe erstellt ein Horoskop. Dazu braucht er neben dem Geburtstag und der Geburtsstunde auch den Geburtsort und das Geburtsjahr“, erläutert Rotter den grundlegenden Unterschied zwischen der Sterndeuterei und seiner sogenannten PQS-Theorie. „Die Charaktereigenschaften eines Menschen werden mit seiner Geburt als Wesenskern definiert. Das heißt, dass mit dem Geburtstag und der Geburtsstunde der Grundcharakter und die Prägung eines Menschen festgelegt wird.“

Also betreibt Herr Rotter was? Nein, nicht vorsagen! Fängt mit „A“ an und hört mit „strologie“ auf. Mag sein (bzw. ist höchstwahrscheinlich), dass er da eine ganz eigene Variante der Sterndeutung praktiziert, aber es bleibt dabei, dass er alleine aus den Geburtsdaten (Tag und Stunde) irgendwelche Schlüsse über den „Grundcharakter“ des Menschen zu ziehen meint – und sich damit von der Astrologie in Nichts unterscheidet.

Außerdem sollte man sowieso ein wenig stutzig werden, wenn man auf den Webseiten von Herrn Rotter folgendes liest:

Ich habe 40 Jahre Menschen studiert, beschreibt Rotter die Vorlaufzeit seines 1999 ausgestellten Patents.

Hmm, 40 Jahre? Eine echt lange Zeit! Aber 1999 ist lange vorbei, auf der aktuellen Homepage schreibt er, er betreibe

empirische Charakterforschung seit 46 Jahren

Schauen wir mal nach: Der Mann ist 1950 geboren, und wenn man seine Aussagen ernst nehmen möchte, dann hat er als 9-jähriger angefangen „Menschen zu studieren“ und betreibt seinem 16. Lebensjahr „Charakterforschung“. Er muss ein ziemlich frühreifes Kerlchen gewesen sein, wenn er wirklich so früh angefangen haben sollte … … aber da wäre doch sicher auch Zeit gewesen zu erkennen, dass seine „PQS“ genannte Methode nichts anderes als eine weitere astrologische Variante darstellt.

Aktuell wird übrigens darüber gestritten ob das Ganze nun vom Rechnungsprüfer in Augenschein genommen werden sollte. Eine Entscheidung gibt es noch nicht, aber wenn hier tatsächlich Steuergelder in Richtung dieses Astrologen geflossen sind, dann sollte man die dafür Verantwortlichen doch irgendwie auch finanziell in die Pflicht nehmen.


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11 responses

30 06 2012
Oliver

Ähm, warum soll jemand nicht schon früh mit „Charakterforschung“ angefangen haben. Ich selbst betreibe diese Forschung schon etwa seit August 1968. Bereis im Mutterbauch habe ich sehr aufmerksam die Menschen studiert, was ich dann natürlich als Säugling und Kleinkind eifrig fortgeführt habe. Schließlich muß man doch seine Grenzen abstecken. 😉 Wo bekommt man dafür denn ein Patent? Auch so etwas haben will 🙂

30 06 2012
wahrsagercheck

@Oliver
Du kannst dir ja auch eine solche Methode „patentieren“ lassen (ich vermute, dass der Mann kein „Patent“ hat, sondern bestenfalls den Namen seiner Methode hat schützen lassen).
Das kannst du ja auch machen – und OCR (Oliver Character Recognition) klingt doch schon mal gar nicht schlecht (ist aber als Kürzel schon belegt).

PS: Ich hab‘ nochmal bei Wikipedia nachgeschaut:
Ist eine Marke im Markenregister eingetragen, darf sie vom Markeninhaber mit dem Symbol ® (von englisch “registered trade mark“ = eingetragene Waren- oder Dienstleistungsmarke) neben der Marke gekennzeichnet werden.
Genau dieses ® ziert auch den Namen des „Systems“ von Herrn Rotter …

1 07 2012
Horst Lauer - Der Skeptiker

Verehrter Herr Blogpfleger,

nun haben Sie etwas sehr Wahres angesprochen. Dafür danke ich Ihnen recht herzlich. Zu dieser späten Stunde kann ich heute nicht schlafen, weil meine Gattin begklagt, ich schnarchte im Schlaf. Doch das Gästebett hält mich gar unangenehm wach und so hat mich Ihr intelligenter Beitrag sehr erbaut, auch wenn ich einmal mehr gewisse irrationale Affekte zwischen den Zeilen zu lesen glaube. Bei Gelegenheit werde ich gerne einmal eine genaue Auswertung Ihrer Beiträge in dieser Hinsicht vornehmen und Ihnen diese zukommen lassen. Sicher wird dies von großer Hilfe sein. Aber, seien wir nicht so streng. Wir alle sind auf dem Weg der Überwindung unserer Affektgetriebenheit stetig sich entwickelnde Organismen und so habe ich zu dieser späten Stunde auch größte Nachsicht mit Ihrer wie auch mit meiner eigenen Unvollkommenheit.

Doch zurück zum eigentlichen Thema, das heute zur Diskussion steht! Die Problematik der Steuergeldverschwendung für allerlei spinnerten Hokuspokus ist ein erhebliches Problem unserer Zeit. Man denke nur an den Kunstunterricht in der Schule, in dessen Rahmen den heutigen Schülergenerationen „Kreativität“ vermittelt werden soll, statt sie die klassischen Kunstrichtungen und die geometrischen Strukturen der alten Werke zu lehren. Mit Schaudern muß ich mit ansehen, wie meine Enkel im Kunstunterricht des Gymnasiums unbeherrscht töpfern, ungezügelt malen und hemmungslos basteln, alles um angeblichen Emotionen Ausdruck zu verleihen. Gar unlogische und affektierte Tätigkeiten sind dies! Jeder Farbklecks wird dort noch gelobt, als Ausdruck irgendwelcher unlogischer Regungen. Früher hat der Herr Studienrat ein solches Geschmiere schlicht zerissen und dann gab es auf die Finger! Heute jedoch wird noch jede Charakterschwäche zum Gefühlsfetisch verklärt. Hiergegen müßten wir skeptisch denkenden Menschen nachdrücklich einschreiten und die Rechnungsprüfer anhalten, aktiv zu werden. Ja, das gilt es zu tun, man muß, wie Sie richtig schreiben „die dafür Verantwortlichen doch irgendwie auch finanziell in die Pflicht nehmen.“

Auch der Sportunterricht meiner Enkel ist eine einzige Lehre der Unzucht. Statt ordentlich zu turnen, wie wir das seinerzeit immer mit Freude getan haben, steht nun auf dem Lehrplan „Rhythmische Tanzgymnastik“. Ich konnte dies erst glauben, nachdem ich mich mittels eines Anrufes beim Herrn Schulleiter persönlich davon überzeugt hatte, daß mein Enkel sich keinen perfiden Scherz mit mir erlaubt.

Mit Entsetzen habe ich auch vernommen, daß ein „Arzt“ meinem Sohn Massagen auf Krankenschein verordnet hat, als dieser sich verspannt fühlte. Als ob es auf irgendeinen Menschen einen meßbaren positiven Effekt haben könnte, wenn er von einem anderen Menschen auf Kosten der Solidargemeinschaft befingert wird. Unsittlichkeit auf Krankenschein ist das! Ein paar ordentliche Wechselbäder und ein arzneiliches Muskelrelaxans wären eindeutig die richtige, weil rationale und überprüfbare Methode der Wahl gewesen!

So weit ist es also schon gekommen! Kreatives Malen und rhythmisches Tanzen im Gymnasium, unsittliches Befummeln auf Krankenschein und Sternendeuter im städtischen Dienst. Pfui, pfui, pui!

1 07 2012
Horst Lauer - Der Skeptiker

Gestatten Sie mir ein Addendum zu meinem nächtlichen Beitrag:

dieser Blog erbaut mich jeden Tag auf ein neues hin. Es war mir jedoch unerträglich, meine elektronischen Leserbriefe nicht mit einer ordentlichen Anrede beginnen zu können. Ich habe daher gleich heute in der Früh meinen Sohn angerufen, damit er mir zu verstehen helfe, welcher gute Mann sich die Mühe dieses wunderbaren Bloges macht. Mein älterer Sohn Michael ist so viel versierter in der Nutzung der modernen Telekommunikationsmittel als ich, Andreas unserer Jüngster ist in diesen Dingen zu unserem Bedauern leider etwas langsamer, und so wurde er alsbald fündig. Verehrter Herr Kunkel, ich danke Ihnen verbindlichst für diesen Blog und für die Möglichkeit als treuer Leser nun, da ich weiß, wie dies geht, auch weiterhin lobende und unterstützende elektronische Leserbriefe beisteuern zu können.

Mit Hochachtung
Horst Lauer

1 07 2012
Statistiker

Ich habe den Originaltext gelöscht – bitte keine Bewertungen anderer Kommentatoren auf diese Weise …

9 07 2012
Horst Lauer - Der Skeptiker

Nun habe ich meinen elektronischen Leserbrief an falscher Stelle geschrieben. Was mache ich nun? Eigentlich bezog sich mein Schreiben auf Ihren neuen Artikel „Labertaschenparade“. Ach herrje, wie geht das nun zu ändern?

9 07 2012
wahrsagercheck

Ich verschieb’s heute Abend …

9 07 2012
Horst Lauer - Der Skeptiker

Nun habe ich glücklicherweise unseren Michael am Telefon erreicht. Er hat mir versprochen, mein Schreiben zu kopieren und an rechter Stelle noch einmal für mich zu senden. Wundern Sie sich daher bitte nicht, wenn mein Leserbrief ein zweites Mal gesendet wird, dann hoffentlich an richtiger Stelle. Ich bin jedoch zuversichtlich, daß dies unserem Sohn gelingen wird, er ist schließlich im weiteren Sinne vom Fach.

Verzeihen Sie bitte alle etwaig entstehenden Mühen Ihrerseits.

20 09 2012
Lucia Frei

Auf irgendeine Weise betreibt doch jeder Mensch Charakterforschung in seinem Leben, natürlich nicht so effektiv oder einigibt wie Forscher und Wissenschaftler, jedoch schon alleine den Umgang mit Menschen muss man lernen und das hat meine Meinung auch sehr viel mit Charakterforschung zu tun.

20 09 2012
wahrsagercheck

@Lucia Frei
… und was hat das mit diesem Fall zu tun?

21 09 2018
Karl Heinz Feuerlein

Die Primitivität der Kritik wird oft nur von dem Wunsch des Kritisierenden übertroffen, eine objektive Beurteilung unter allen Umständen zu verhindern.“ Sagte Hans Habe wohl zu Recht.
Und, wenn Sie die Geldverschwendung im öffentlichen Dienst glauben anprangern zu müssen, sollten Sie, verehrter Herr Lauer, wenigsten eine Zeile ihre Kritik opfern, um dem Leser zu sagen wie Sie ihr Geld verdienen oder hatten.
Vielleicht wären Sie persönlich petitioniert die Verschwendungssucht der öffentlichen Hand zu beurteilen.

Die Kritik ist eine heikle Sache, denn wenn jemand etwas schreiben und zufällig auch einzelne Buchstaben zu einem Wort fügen kann, ist er nur ein kleiner Schwätzer! Übrigens waren immer jene, die unsinnige Kritiken, ihr Leben lang ertrugen, sozusagen etwas übrig geblieben. Von den Kritiken blieb NICHTS! Warum? Weil sie doch keinerlei Visionen hatten.

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