Meine Volkshochschule (vhs Mainz) ist nur noch peinlich …

9 09 2014

Mein Versuch die Lokalpresse (AZ Mainz) über die Lächerlichkeit einiger Kurse „meiner“ Volkshochschule zu informieren war leider nicht erfolgreich, aber inzwischen gab es in der Folge eines offenen Briefs auf dem gwup-Blog ein ganz kleines Shitstörmchen auf der facebook-Seite der vhs Mainz, das nach einer versuchten Erklärung der vhs ein klein wenig angeschwollen ist. Der von der vhs eingestellte Text ist aber auch wirklich so was von peinlich …

Noch mal kurz um was es eigentlich geht: Die vhs Mainz bietet unter anderem einen Kurs namens „Pendelpraxis I“ an, in dem die Kunden – gegen Zahlung einer Kursgebühr – lernen sollen „Lebensmittel, Medikamente, Kosmetika und mehr auf Verträglichkeit und biologische Qualität zu testen„.  Dies ist entweder (höchst unwahrscheinlich) eine wissenschaftliche Weltsensation oder (ziemlich sicher bis zum Beweis des Gegenteils!) der übliche esoterische Schwachsinn, der bisher noch bei jedem ordentlichen Test versagt hat. Der Kurs kann also nicht leisten was er verspricht und ist daher eine Mogelpackung, ja man könnte sogar von Betrug an den Kunden reden – oder würde man sich nicht betrogen fühlen wenn z. B. in einem Sprachkurs Englisch die Kursleitung dieser Sprache gar nicht möchtig wäre? Hinzu kommt, dass es ja noch mehr hanebüchene Kursangebote gibt, aber dazu später noch mehr.

Es beginnt mit einer schon ‚mal etwas eigenartigen Überschrift:

Ein Wort in eigener Sache 

Und dann beschwert sich die vhs darüber, dass einzelne Leute die Seite der vhs wegen des angebotenen Pendelkurses negativ bewertet haben und weist darauf hin, dass dies nur wegen diesem Kurs erfolgte. Nun ja, es ist ja auch eine Beleidigung für den Intellekt wenn eine öffentliche Bildungseinrichtung esoterischen Unsinn anbietet statt – gemäß dem eigenen Leitbild – die Menschen aufzuklären. Dann versucht die vhs  irgend etwas zu erklären, aber was eigentlich? Auf das Thema der Kritik selbst wird jedenfalls kaum eingegangen, dafür wird ein wenig mit Zahlen jogliert – ich habe mit erlaubt den Text Satz für Satze und auch die Rechnerei zu kommentieren (in rot):

Volkshochschulen stehen allen Menschen offen. Richtig, aber was hat das mit der Kritik zutun?

Sie trennen nicht, sondern sie verbinden. Blabla!

Sie teilen nicht auf, weder nach sozialer Herkunft noch nach akademischer und nicht akademischer Ausbildung. Noch mehr Blabla!

Sie sind Orte der Offenheit und Toleranz und bieten damit auch Menschen mit unterschiedlichen und gegensätzlichen Auffassungen die Möglichkeit, individuelle Bildungsbedürfnisse zu befriedigen. Seit wann hat Bildung etwas mit gegensätzlichen Auffassungen zu tun? Soll eine vhs auch die „Bildungsbedürfnisse“ von Kreationisten, Anhängern der Hohlwelttheorie oder gar Holocaustleugnern befriedigen? Besonders bei Letzterem würde jede vhs – zurecht – wohl Probleme bekommen, obwohl dies ja auch nach Meinung der Vertreter dieses Wahnsinns „nur“ eine gegensächliche Auffassung von Geschichte ist!

Volkshochschulen sind damit ein Abbild unserer pluralen Gesellschaft, und das ist auch gut so. Noch immer keine Antwort auf die konkrete Kritik!

Die Teilnahme an Veranstaltungen der Volkshochschule basiert auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Was für eine Binsenweisheit!

Niemand wird gezwungen gegen seinen Willen eine bestimmte Veranstaltung zu besuchen. Natürlich nicht!

Erwachsene entscheiden selbst, welche Themen sie interessieren und sind daher engagiert bei der Sache. Was hat das jetzt mit dem Pendelkurs zu tun?

Und auch das ist gut so. Zu oft bei dem scheidenden Berliner Bürgermeister zugehört?

Manchmal hilft auch ein Blick auf Zahlen, um eine vermeintliches Problem angemessen zu bewerten. Na dann her mit den Zahlen!

Die Volkshochschule Mainz hat im vergangenen Jahr 74042 Unterrichtsstunden durchgeführt. Der – einzige – Pendelkurs umfasst 9 Unterrichtsstunden. Dies entspricht einem Anteil von 0,12 Promille. OK, in soweit richtig gerechnet.

Selbst wenn man alle Veranstaltungen, die im Übrigen auch unter der Überschrift „Esoterik“ angeboten werden, zusammennimmt, ergibt dies 77 Unterrichtsstunden. Als ob es eine Rechtfertigung ist wenn man zugibt nicht nur ausnahmsweise einmal sondern sogar mehrfach esoterischen Unsinn angeboten zu haben. Dass die Überschrift stimmt macht das Ganze nicht besser.

Dies entspricht einem Anteil von 1 Promille, d. h. von 1000 durchgeführten Unterrichtsstunden entfällt 1 Unterrichtsstunde auf den Bereich Esoterik. Ja, und das ist genau die eine pro Tausend Stunden zuviel, denn damit wird nicht aufgeklärt sondern – wie mehrere Kommentatoren zurecht anmerkten – Volksverdummung betrieben.

Schließlich – auch durch dauerhaftes Wiederholen wird aus einer Unwahrheit keine Wahrheit. Ein wahrer Satz! Und aus esoterischen Hirngespinsten wird auch an einer vhs keine Bildung!

Die Behauptung, hier würden Steuergelder eingesetzt, ist schlicht falsch. Na ja, immerhin zahlt die vhs keine Steuern – alleine dadurch ergibt sich eine Art Bezuschussung.

An dieser Stelle können und sollen nicht die komplizierten und nach Bundesland unterschiedlichen Bezuschussungen in der Weiterbildung dargelegt werden. Nein, müssen sie auch nicht! Aber immerhin geben sie zu, dass es bisweilen Bezuschussungen gibt. Für das Thema Pendel- und andere Esoterikkurse ist dies allerdings unerheblich.

Nur – wer solche Behauptungen aufstellt, sollte sich, an den eigenen wissenschaftlichen Ansprüchen gemessen, vorher sachkundig machen. Und das war alles? Am Ende statt dem Versuch einer Argumentation ein billiges Ablenkungsmanöver – traurig, dass „meine“ (ich habe mehrere Kurse dort besucht) vhs sich so lächerlich macht.

Die Kommentare auf dieses Armutszeugnis in „beleidigter Leberwurst“- Stimmung waren eindeutig – ein paar Beispiele:

Die Verträglichkeit von Lebensmitteln durch Pendeln zu ermitteln oder gar zu verbessern, dürfte wohl unstreitig „Humbug“ sein und nicht wissenschaftlich aufgeklärt. Bei der In Anspruch genommenen Neutralität verbietet es sich, solch einen unwissenschatlichen Kram anzubieten. Ich finde, dass sich die VHS, die auf welchem Weg auch immer staatliche Vorteile in Anspruch nimmt, zum Mittäter einer Täuschung gegenüber den Kursteilnehmern macht und damit einen Schaden sowohl finanziell herbeiführt (Kursgebühr und Verschwendung öffentlicher Förderung) als auch moralisch (Förderung von Humbug, Täuschung der Teilnehmer).

Wie ärmlich. Auf den berechtigten Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit, ja sogar aktiver Volksverdummung reagiert die VHS Mainz mit einem Belehrungspamphlet in ablenkendem, altväterlichem Politikerduktus. 

Wenn ich im letzten Jahr 9 schwere Körperverletzungen begangen habe und insgesamt 77 Gewalttaten, wird das dann dadurch entschuldigt, das ich 73.965 Menschen, denen ich in Fußgängerzonen und im Straßenverkehr begegnet bin, nichts angetan habe? Nichts anderes ist die Argumentation hier. Für eine Bildungseinrichtung ungeeigneter Unsinn bleibt für eine Bildungseinrichtung ungeeigneter Unsinn, egal wie sinnvoll der Rest ist.

Und ein weiterer Kommentator hatte noch folgende Bitte:

Liebe(r) Verfasser(in) des obigen Textes, ich bitte Sie, den Anteil Ihres esoterischen Angebots am Gesamtprogramm noch einmal zu berechnen, diesmal inklusive wirklich aller esoterischer und pseudowissenschaftlicher Inhalte; ich und viele weitere hier helfen gerne.

Na klar helfen wir, also ich zum Beispiel. Ich habe mir das aktuelle Kursprogramm nochmal durchgeschaut und folgende eindeutig esoterischen Kursangebote gefunden:

U12301 Pendelpraxis I 9
U12302 Mit der Wünschelrute unterwegs 12
U12303 Jahresabschiedsritual 2,67
U12304 Tarot – die Grundlagen des Kartenlegens 16
U12305 Tarot, ein Weg zur Persönlichkeitsentwicklung 20
U12306 Tarot, ein Weg zur Persönlichkeitsentwicklung Workshop 4
U12201 Astrologie Basics 16

Das sind jetzt 79,67 Stunden – aber damit sind wir noch nicht am Ende, denn auch in anderen Kursbereichen lauert Esoterik satt. Nehmen wir zum Beispiel Schüßlersalze, zwei weitere Kurse in der völlig unkritisch (Aufklärung???) mit esoterischen Heilungsversprechen die Kunden verdummt werden:

U82101 Schüßler-Salze 4,3
U82100 Schüßler-Salze 4,3

So richtig lächerlich wird es wenn man in Kursbeschreibungen hanebüchenen Nonsens wie den folgenden liest:

Die Probleme einer adäquaten Ernährung werden aus feinstofflicher Betrachtung besprochen: Über die Nahrung haben wir mit feinstofflichen Wirkungen zu tun, die uns belasten oder beleben.

Durch die feinstoffliche Betrachtung kann verstanden werden, was in diesen Situationen geschieht.

… setzt genau in diesem scheinbaren Nichts – nämlich in den feinstofflichen Ebenen – an.

Diese Zitate stammen aus den folgenden Kursbeschreibungen:

U82106 Hilfe, wer zieht mir Energie ab? Hintergründe und Tipps 2
U82107 Hilfe, wer zieht mir Energie ab? Hintergründe und Tipps 4,3
U82108 Anspannung, Ängste, innere Unruhe – woher kommen sie, wie lösen sie sich? 2
U82109 Anspannung, Ängste, innere Unruhe – woher kommen sie, wie lösen sie sich? 4,3
U82118 Nahrung – die Basis unserer Lebensfreude, Essen wir mehr als wir sehen? 2
U82119 Nahrung – die Basis unserer Lebensfreude, Essen wir mehr als wir sehen? 4,3

… und wenn das keine Esoterik ist, was soll das bitte sonst sein? Aber es gibt noch mehr:

U72100 Feng-Shui – Basics 6,6
U24103 Gesünder wohnen – Erdstrahlen und Elektrosmog 4
U81734 Handreflexzonen-Therapie 4
U81735 Handreflexzonen-Therapie 4

Dabei sind weitere Kurse aus verschiedenen Themenbereichen, die von Heilpraktikern (!!!) gehalten werden (vielleicht sollte sich ‚mal ein Psychologe das diesbezügliche Angebot der vhs Mainz ansehen …), ebenso wenig berücksichtigt wie einige Kurse zur traditionellen chinesischen „Medizin“ . Immerhin haben wir jetzt schon

125,77 Esoterikstunden

und das sind wahrscheinlich noch lange nicht alle.

Ich versuche das jetzt ‚mal auf der Seite der vhs Mainz zu verlinken – vielleicht gibt es ja noch eine Reaktion ….


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7 responses

11 09 2014
Bildungsauftrag oder Blödsinn? Mainzer Lokalpresse greift GWUP-Kritik an VHS auf @ gwup | die skeptiker

[…] vor zwei Tagen schrieb Michael Kunkel im Wahrsagerchecks-Blog, dass sein Versuch, die Mainzer Lokalpresse “über die Lächerlichkeit einiger Kurse […]

28 09 2014
dersportastrologe

Astrologie – so ein Humbug aber auch! Man siehe: http://astroarena.org/2014/09/28/2-bundesliga-201415-8-spieltag-fsv-frankfurt-st-pauli-daube-fuhrt-pauli-um-sieg-tor-um-14-42-uhr-fsv-kaum-zu-retten/

Wieder mal unfassbares Glück gehabt, dieser Sternendeuter!

22 11 2014
zentao

Das sind alles Kurse. wo jeder für sich selbst entscheiden muss, ob diese für ihn /sie hilfreich ist. Ich selber Pendle seit vielen Jahren – ohne Kurs, das kann man auch so lernen und ich finde das durchaus hilfreich im Alltag. Das Pendel kann ja auf eine Frage nur mit Ja oder Nein antworten oder mit Stillstand. Das Ergebnis ist also immer 50 % richtig. Entscheiden tut nicht das Pendel oder eine höhere Macht, entscheiden tut immer derjenige welcher das Pendel benutzt. Es ist halt weitgehend eine Glaubensfrage. Für jene, die von Vornherein so etwas ablehnen, also die Menschen, die nur Schwarz oder Weiss kennen, ist so ein Kurs nicht praktikabel.

30 11 2014
wahrsagercheck

Es wird in der Kursbeschreibung behauptet, man könne mit dem Pendel die Verträglichkeit von Lebensmitteln und Arzneimitteln“ermitteln“, und diese Behauptung ist schlicht lächerlich. Der Kurs ist also offensichtlich eine Mogelpackung und leistet nicht was die Beschreibung behauptet.

30 11 2014
zentao

Auch wenn Du Mühe hast so etwas zu glauben, muss ich Dir sagen, dass das Unterbewusstsein, durchaus weiss was für einem Selbst gut ist. Ich befrage auch Lebensmittel ob die noch geniessbar seien und im Zweifelsfall werfe ich die einfach weg.Nicht das Pendel gibt die Antwort, die Antwort kommt aus dem Unterbewusstsein, und entscheiden tu ich mit meinem Verstand. Der Kurs ist sicher keine Mogelpackung, Du kannst das einfach nicht glauben.

3 12 2014
wahrsagercheck

Klar, der Verstand entscheidet was wegzuwerfen ist, nicht das Pendel.
Aber der Kurs bleibt eine Mogelpackung, da er behauptet man könne die Verträglichkeit von Lebensmitteln und Arzneimitteln auspendeln.
Ich habe ja bereits einen Vorschlag gemacht, wie das getestet werden könnte. Aber natürlich wird sich die Kurseiterin (oder sonst ein Pendelprofi) nicht auf einen solchen oder ähnlichen – einfachen!!! – Test einlassen …

22 12 2014
Pastafarianischer Jahresrückblick 2014 4/5: Bureaucracy | FSMoSophica

[…] 9.9.: Meine Volkshochschule (vhs Mainz) ist nur noch peinlich … […]

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